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13.09.2013 - (fcs)

Der Dekalog - die 10 Gebote

Teil 2: Die Gebote 4-10 entsprechen humanistischem Gedankengut

 

Wie wir auf der vorherigen Seite (- klick) gesehen haben, sind die sogenannten 10 Gebote keinesfalls göttliche Gebote, weshalb die ersten drei Gebote vernünftigerweise als  irrelevant, sogar als ungültig abzulehnen sind. Das berührt jedoch nicht die an sich vernünftigen Gebote 4-10, die, auch das geht aus der vorherigen Seite hervor, wesentlich älteres Gedankengut sind und nahezu unverzichtbar für ein friedliches Zusammenleben in Gesellschaften – vorausgesetzt, sie werden vernünftig ausgelegt. – Und das wollen wir nachstehend versuchen, dabei jeden Gottesbezug ausklammernd. Bei den u.E. korrekten, das heißt mit der ursprünglich hebräischen Fassung des Dekalogs übereinstimmenden Formulierungen beziehen wir uns regelmäßig auf

 

  • Georg Fischer, Dominik Markl: „Das Buch Exodus - Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament.“, ersch. 2009 bei Katholisches Bibelwerk, Stuttgart, ISBN 978-3-46007- 021-9


Das vierte Gebot:

Franz Meurer: Priester mit sozialem Engagement und Ehrenbürger der Stadt Köln
  • „Du wirst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest und dir's wohlgehe auf Erden“

 

Anders als es im Christentum des 20./21. Jhdt., besonders in extremen Sekten wie den Evangelikalen oder den Neuapostoliken, gelehrt wird, hat dieses Gebot nichts mit Respekt vor der älteren Generation zu tun und nichts mit Unterordnung! Und schon gar nicht richtet sich dieses Gebot an Kinder! Die eigentlichen Adressaten waren und sind die erwachsenen Söhne, heute vielleicht etwas weiter gefasst die erwachsenen Nachkommen mit Arbeitseinkünften.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die soziale Absicherung der nicht mehr arbeitsfähigen Elterngeneration in Deutschland erst seit 1889 gesetzlich festgelegt ist. Davor mussten „die Alten“ einfach ackern solange sie konnten und dann eben verhungern. Und genau das soll das vierte Gebot verhindern. – Wenn wir uns auf dem Globus umschauen, funktioniert das, was in unserer Gesellschaft über den Generationenvertrag der Rentenversicherung umgesetzt werden muss unabhängig von irgendeiner Gottesanbetung oder göttlichen Ordnung. Es ist eine humanistische Grundforderung, geboren aus der Idee, dass die Würde des Menschen unantastbar sei: Die erwachsenen  Söhne lassen ihre Eltern am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben – soweit und solange es die Kräfte zulassen, beteiligen sich die Eltern im Gegenzug an der Solidargemeinschaft, z.B. durch Arbeit im Haushalt, Kinderhüten etc., wenn es nicht mehr geht, werden sie dennoch versorgt.

 

Das bedeutet nicht nur, dass die Alten „grundversorgt“ sind, sondern das bedeutet auch, dass die Jungen den Rücken freihaben, sich darum zu kümmern, dass die Grundversorgung der „Solidargemeinschaft Familie“ gewährleistet werden kann.

Für die junge Generation entsteht durch die Beachtung des 4. Gebots die Sicherheit, dass es, solange sie diese Regel tradieren, auch ihnen (nicht nur oder erst im Alter) wohlergehen  wird, und sie lange auf Erden leben können.

 

Heute könnte man geneigt sein, die Verantwortung, die das 4. Gebot der erwerbstätigen  jungen Generation in der jeweiligen Familie auferlegt, infrage zu stellen, da scheinbar durch die Rentenversicherung diese Verantwortung an die größere Solidargemeinschaft weitergegeben wurde.

Wir sehen aber, dass dieser erweiterte Generationenvertrag aus den verschiedensten Gründen (u.a. leider auch durch die wirtschaftliche Ausbeutung der Arbeitskraft junger Menschen, die durch die Arbeitseinkünfte nicht einmal mehr sich selbst ernähren können) an seine Grenzen stößt. Deswegen nimmt es Wunder, dass die Kirchen, die sich doch so gerne als Hüter von Ethik und Moral aufspielen, keinen Einfluss auf die Gesellschaft und einen rigorosen sozialen Umbau vorantreiben. Stimmen wie die des Erzbischofs von München und Freising,  Prof. Dr. Reinhard Kardinal Marx, sind zu selten und wohl auch zu leise. Vielleicht ist es aber auch so, dass der Klerus viel zu lange mit den Feudalherren gekungelt hat, um jetzt Fürsprecher für die Armen und Schwachen der Gesellschaft sein zu wollen.

 

Es gibt wohltuende Ausnahmen, z.B. in  Köln den kath. Priester aus dem Kölner Problemviertel Höhenberg-Vingst, Franz Meurer (- klick) [siehe Bild o.re.], <http://www.stern.de/panorama/katholische-kirche-mal-anders-der-ghetto-prediger-585720.html> oder eben trotz sicher vorhandener Ansatzpunkte für Kritik, Kardinal Marx…

Und es gibt das andere Extrem, z.B. den Kirchenpräsidenten der NAK-Nordrhein-Westfalen, der alles daran setzt, durch seine Opferaufrufe auch noch die Ärmsten unter den Mitgliedern seiner Sekte zugunsten der „Kirche“ auszubeuten. Von Armin Brinkmann stammt der Hinweis, Hartz-IV-Empfänger könnten ihr Opfer ausnahmsweise „stunden“, sollten es aber, sobald sie wieder Einkünfte haben, unverzüglich nachzahlen.

Das 5. Gebot:

Kains Brudermord, (Palma Giovane / entst. 1576)
  • „Du wirst nicht morden“

 

Dank der falschen Lutherübersetzung wir kaum ein Gebot derart von verschiedensten Interessengruppen missbraucht, wie das 5.

 

  • Veganer sehen darin ein Verbot des Tötens von zum Verzehr bestimmten Tieren
  • Abtreibungsgegner sehen darin einen von Gott verhängten Zwang, werdendes menschliches Leben unbedingt und unter allen Umständen auszutragen
  • Kriegsgegner und Friedensaktivisten behaupten es verbiete konsequente Selbstverteidigung

 

Übersetzen wir aber korrekt mit „Du sollst, bzw. Du wirst nicht morden“ bekommt diese Regel ein ganz anderes Gesicht. Sie meint nämlich, „Du sollst nicht ohne vernünftigen Grund ein Leben auslöschen“.

 

Dazu ein simples Beispiel: Es ist einleuchtend, dass lebendige Organismen sich von lebenden (nicht unbedingt lebendigen!) Organismen ernähren. Mag dieser lebende Organismus nun Apfel heißen, Steinpilz oder Schwein. Um uns davon zu ernähren müssen wir das eigenständige (!) Leben diese Organismus‘ auslöschen. Tot ist er hingegen nicht wirklich, sondern Teil unseres eigenen Lebens, er lebt sozusagen in uns weiter.

Einen Apfel, einen Steinpilz oder dein Schwein aus Gründen der Ernährung, also des Überlebens, zu töten (bleiben wir der Einfachheit halber bei dieser Formulierung) kann nicht unvernünftig sein. Und es kann übrigens nicht Aufgabe eines gottgläubigen Menschen sein, zu bestimmen, welches Lebewesen den höheren Wert hat, was zu der Überlegung führt, dass das Töten eines Steinpilzes okay sei und das Töten eines Schweins nicht. Für Abrahamiten gilt: Allein Gott kann entscheiden, ob ein beliebiges Leben einen höheren Wert hat als ein beliebiges anderes, da er als Schöpfer alleine die Bewertungskriterien kennt. – Möglicherweise sind Viren und Bakterien die im Sinne Gottes höchsten Lebewesen und der Mensch ist lediglich Nutzvieh für diese Mikroben… - So gesehen dürften Veganer oder Vegetarier nicht einmal von selbst abgestorbenes Gras fressen, sondern müssten zu Lichtköstlern werden.

Aus humanistischer Sicht stellt sich diese Frage so nicht, hier steht eindeutig das Wohl und die Würde des Menschen im Mittelpunkt, und die Frage, welche Art zu töten mit der Würde und dem Ethos des Menschen vereinbar sei. Da führt zwar zu der Überlegung, dass bestimmte Arten der Tierhaltung und –schlachtung abzulehnen sind, aber nicht der Fleischverzehr an sich!

 

Wir sagen: Für das Töten liegt dann eine vernünftiger Grund vor, wenn es um das eigene Überleben geht; Töten ist dann kein Morden im Sinne des 5. Gebots.

Und das macht durchaus Sinn auch im Hinblick auf das mosaische Gesetz „Auge um Auge …“. Dies sollte ja keine Aufforderung zu tödlicher Rache in jedem Fall sein, sondern eine Ermahnung zu angemessener Rache… Für ein ausgeschlagenes Auge durfte nicht getötet werden, sondern lediglich dem Gegner ebenfalls ein Auge ausgeschlagen werden. Wie Du mir, so ich Dir.

 

Das 5. Gebot geht jetzt noch einen Schritt weiter: Wenn eine Tat bereits geschehen ist, geht von dem Täter ja keine Gefahr mehr für das eigene Leben aus. Es gibt keinen vernünftigen Grund, den Täter zu töten – auch nicht zur Strafe; Todesstrafe ist also insofern zutiefst widerlich und unmenschlich. – Für jeden gottgläubigen Christen (also auch für god’s own nation) wurde dieser Gedanke bereits von den Redaktoren des 1. Buchs Mose ausgeformt:

Hinrichtungskammer in den USA

Nachdem Kain seinen Bruder Abel erschlagen hat, ohne vernünftigen Grund und nicht zur Abwehr einer unmittelbaren Lebensgefahr – es war also Mord – hat Gott ihn keinesfalls mit dem Tode bestraft, sondern ihn lediglich aus der Sippe verbannt. Mehr noch: Er hat jeden Rachegedanken unterdrücken wollen, durch die Warnung  dass derjenige, der Kain tötete, siebenfältge Rache erleben würde.

 

(Zitat) „[…] Er aber sprach: ‚Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.‘

Kain aber sprach zu dem HERRN: ‚Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du treibst mich heute vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich totschlägt, wer mich findet.‘

Aber der HERR sprach zu ihm: ‚Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden.‘ Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände. […]“ (Zitatende) – vgl. 1. Mose 4, 10-16 (- klick)

 

Eine gemäß den Gesetzen eines Staatsvolkes vollzogene Exekution ist also immer, auch aus Sicht der Abrahamiten, nicht nur eine Tötung ohne vernünftigen Grund, also ein Mord, sondern auch ein Verstoß gegen die ansonsten von ihnen so hochgehaltenen göttlichen Regeln.

Aus humanistischer Sicht stellt sich diese Frage gar nicht erst, denn Leib und Leben eines Menschen gelten dort als höchstes Gut. So ist das z.B. auch in den Artikel 2,2 der deutschen Verfassung aufgenommen worden, demzufolge ein jeder Mensch das Recht auf Leben und Unversehrtheit des Leibes hat. (Das geht tatsächlich auch ohne Gottesbezug!)

Das 6. Gebot:

Vulkan überrascht Venus und Mars beim Ehebruch (Tintoretto) entst. 2. Hälfte 16. Jhdt.
  • „Du wirst nicht die Ehe brechen“

 

Unter dem 6. Gebot subsummiert irgendwie alles, was mit der Sexualmoral des Christentums, der angeblichen Todsünde der Fleischeslust zusammenhängt. Es war dieses Gebot, das für die typische puritanische Prüderie verantwortlich war, das die Moral des Pietismus beeinflusst hat.

 

Aber kann das damit gemeint sein?

 

Zunächst einmal ist klar, dass nichts von dem, was mit Sexualität zu tun hat, eine Sünde sein kann. Wer mit wem wie oft und auf welche Weise Sex hat, ist schnurz-piep-egal, solange dabei nicht Missbrauch betrieben wird – d.h. solange alle Beteiligten mündige Mitglieder der Gesellschaft sind, die Tragweite des Geschehens absehen können und vollkommen selbstbestimmt und freiwillig teilnehmen. Das bedeutet, dass auch Orgien, egal ob hetero-, homo- oder bisexuell vollkommen okay sind.

 

Strafbar ist indes jede Art von Missbrauch, d.h., wenn Sex mit einem unmündigen Menschen betrieben wird, oder wenn ein Mensch als Mittel zum Zweck der sexuellen Befriedigung benutzt wird, ohne seinerseits einen Nutzen daraus zu ziehen.

 

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang je nach Gesellschaft alles das zu verurteilen, was mit der Erregung öffentlichen Ärgernisses zu tun hat. Wenn eine Gesellschaft sich dahingehend entschieden hat, dass Sexualität etwas ist, was ausschließlich in den privaten Raum gehört, weil es die Gefühle Dritter stören kann, ist bewusst öffentlich zur Schau gestellte Sexualität, sind öffentliche sexuelle Handlungen, eine Straftat. – Umgekehrt ist es dann aber auch eine Straftat, wenn jemand in die Intimsphäre Dritter ohne deren Wissen und/oder Wollen eindringt, um das Geschehen heimlich zu beobachten oder gar zu dokumentieren.

 

Alles, was bisher aufgezählt wurde, hat lediglich etwas mit gesellschaftlichem Konsens zu tun und mit der unantastbaren Würde des Menschen. Und das kann übrigens auch insofern keine Sünde sein, als der überlieferte Gott der Abrahamiten seinerseits den Menschen oft genug in dessen Würde verletzt hat. Womit es nichts zu tun hat, ist Ehebruch… - Wenn also Sexualmoral und Sexualethik unter dem 6. Gebot zusammengefasst werden, ist das Etikettenschwindel.

 

Ehebruch, also wenn eines der Eheleute außerhalb der Ehe Befriedung von Lüsten oder Gefühlen sucht, und wenn jemand von außerhalb der Ehe mit einem der Eheleute Befriedigung von Lüsten oder Gefühlen  sucht, wird – das ist leicht einsehbar – zu Unfrieden zwischen den Eheleuten führen und zu Unfrieden zwischen der/dem Betrogenen und dem/der Ehebrecher/in.

Insofern ist es zunächst einmal vernünftig, wenn eine Gesellschaft den Ehebruch nicht gutheißt – Immerhin ist der Friede innerhalb der Gesellschaft gefährdet. – Aber kann der Ehebruch wirklich eine Straftat, meinethalben eine Sünde, sein?

 

Aus rein humanistischer Sicht kann Ehebruch keine Straftat sein, da dazu der Begriff der Ehe über den gesamten Lauf der Menschheitsgeschichte kulturübergreifend und einheitlich definiert bei allen Menschen bekannt und gültig sein müsste.

Außerdem wäre, um Ehebruch als Straftat oder Sünde stilisieren zu können, notwendig, dass Menschen in die Zukunft schauen können. Bekanntlich ist das Wort Ehe ja eine Abkürzung für „errare humanum est“ (irren ist menschlich). Und zu dem Zeitpunkt an dem eine Ehe geschlossen wird, kann keiner der Beteiligten absehen, was die Zukunft an Überraschungen bereithält – oder auch wie sich der/die eine oder andere Ehepartner im Laufe der Zeit entwickelt. Sich anders zu entscheiden, als es zum Zeitpunkt der Eheschließung vorgesehen war, muss erlaubt sein.

 

Eine Ehe ist nichts Göttliches oder heiliges, sondern lediglich eine Willensbekundung zwischen Menschen, das Leben (aus welchen Gründen auch immer) gemeinsam  zu bestreiten. Ein Vertrag, nichts weiter. Ein Ehebruch ist also ein Vertragsbruch und damit fällt er nicht unter das Strafrecht, sondern unter das Zivilrecht.

Folgerichtig ist der Ehebruch in Deutschland auch seit 1969 kein Straftatbestand mehr; bis dahin war er allerdings nach § 172 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten bedroht. Juristische Konsequenzen hat er aber trotz seiner gesellschaftliche Akzeptanz immer noch – wie ein Vertragsbruch eben:  Das Ausbrechen aus einer intakten Beziehung kann nach einem Grundsatzurteil des OLG Frankfurt/Main vom 18.04.2006 zu einer Unterhaltsverwirkung führen. In der juristischen Praxis wird es aber schwierig sein, zu bestimmen, was eine intakte Beziehung ist.

 

Erstaunlich bleibt auf jeden Fall, dass ein zivilrechtlicher Vorgang kirchenrechtliche Konsequenzen haben kann. Bei nüchterner Abwägung aller Fakten kann man zu keinem anderen Schluss kommen, als dem, dass die Ehe nichts mit einem göttlichen Gesetz zu tun haben kann, so, wie übrigens auch Kirchen nichts mit einem Gott zu haben können. Kirchenrechtliche Konsequenzen sind also ein reiner Mumpitz! Und deshalb ist es empfehlenswert,  eine Eheschließung grundsätzlich ohne Beteiligung einer Kirche abzuwickeln.

Das 7. Gebot:

„Du sollst nicht stehlen“ Kupferstich von Harmen Jansz Muller, entst. etwa 1566
  • „Du wirst nicht stehlen“

 

Ein bereits auf den ersten Blick leicht einsehbares Übereinkommen: Für seine Habe hat ein Mensch Leistung erbringen müssen, und deshalb wird kein Mensch es akzeptieren, dass jemand Drittes ihm diese Habe ohne Leistung zu erbringen wegnimmt. Es kommt zu einer Störung des Friedens…

 

Ganz so einfach ist es mit der Habe aber nicht. Zur Habe gehört nämlich auch das dem jeweiligen Menschen innewohnende Vermögen, sein Intellekt, seine Körperkraft, seine Fähigkeiten und nicht zuletzt seine Lebenszeit.

Und damit ist klar, dass mit Stehlen nicht ausschließlich die Entwendung oder Erschleichung von Besitztümern Dritter gemeint sein kann… Z.B. ist jeder Arbeitgeber ein Dieb, der unter Ausnutzung einer Notlage das ihr/ihm innewohnende Vermögen einer/s Mitarbeiter(in/s) ausbeutet und keine gerechte Gegenleistung gibt.  Er ist nach biblischer Interpretation sogar dann ein Dieb, wenn er den Lohn nicht pünktlich zahlt! – Und um wieder einmal auf die Kirchen einzugehen, ist ebenso jede/r Kirchenfrau/-mann ein Dieb, der das Scherflein der armen Witwe einsackt und davon ein feudales Leben führt. In diesem Punkt ist die Neuapostolische Kirche in Nordrhein-Westfalen KdöR, vertreten durch ihren Präsidenten Armin Brinkmann, ein besonders übles Beispiel!

 

Das im ersten Teil dieses Beitrags bereits erwähnte 3. Buch Mose geht im 19. Kapitel geht bei der Interpretation des 7. Gebots sogar noch einen Schritt weiter. Dort wird der Überschuss der Habe den Armen zum Besitz vorbehalten.

 

(Zitat) „[…] Wenn du dein Land aberntest, sollst du nicht alles bis an die Ecken deines Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese halten. Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der HERR, euer Gott. Ihr sollt nicht stehlen noch lügen noch betrügerisch handeln einer mit dem andern. […]Du sollst deinen Nächsten nicht bedrücken noch berauben. Es soll des Tagelöhners Lohn nicht bei dir bleiben bis zum Morgen. […]“ (Zitatende) [vgl. 3. Mose 19, 9-13 (- klick)]

 

Ein Gedanke, den sich die Reichen in diesem unserem Lande und die im Geld schwimmenden Kirchen einmal zu Herzen nehmen sollten.

 

Doch nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht, dieses 7. Gebot. Und es ist evident, dass es in unserer Gesellschaft weder so angewendet wird, wie es die Idee des Humanismus erfordern würde, noch so, wie es die Bibel vorsieht.  Aber es ist ebenfalls klar, dass gerade auch die Kirchen zu denen gehören, die gegen dieses Gebot verstoßen!

Das 8. Gebot:

„Das 8. Gebot“ Lucas Cranach der Ältere, entst. ca. 1510
  • „Du wirst kein falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten“

 

Mit dem, was wir im heutigen Sprachgebrauch häufig als „Du sollst nicht lügen“ sagen, war ursprünglich die Aussage vor Gericht gemeint, im Sinne von „Du sollst (vor Gericht)nicht falsch über einen Dritten aussagen und ihm so schaden“.

Es geht bei diesem Gebot also nicht primär darum, immer strikt die Wahrheit zu sagen, sondern in erster Linie darum vor Gericht (erweitert dann auch im täglichen Leben) immer dann den Tatsachen entsprechend auszusagen, wenn dadurch ein unrechter Nachteil für einen Dritten vermieden wird. – Oder anders herum ausgedrückt, Du darfst nichts Unwahres zum Ausdruck bringen, was einem Dritten schadet oder ihn übervorteilt. – Diese Unterscheidung ist wichtig: Denn wenn z.B. eine Ausgabe auch nicht unbedingt schadet, kann es doch sein, dass dem Geber ein geringerer Vorteil daraus erwächst, als dem Empfänger. Eine Aussage, die den Geber zu einer solchen Ausgabe veranlasst, ist also auch dann eine Lüge, wenn die Ausgabe dem Geber keinen unmittelbaren Schaden zufügt.

 

Dazu ein Beispiel: In der Neuapostolischen Kirche werden die Mitglieder von den Leitungsfunktionären dazu angehalten, 10% ihrer Einkünfte zugunsten ihrer Kirche zu „opfern“ (im Prinzip handelt es sich um eine Spende aus einer Pflicht. Die durch moralischen Druck entsteht). Zu dieser Ausgabe werden die Geber mit der Aussage, dieses Geld sei als Opfer für Gott gedacht, und er werde dieses Opfer durch reichen Segen lohnen. In Wirklichkeit kommt das Geld aber nicht Gott zugute, sondern der sogenannten Kirche und dem Verein der NAK-Führungsfunktionäre, dem NAKI e.V., Zürich, die damit eine wirtschaftliche Machtbasis schaffen, Immobilien erwerben, riesige Finanzpolster aufbauen, teure Limousinen für ihre Funktionäre (bzw. NAKI-Vereinsmitglieder) anschaffen, Gehälter und Pensionen für die Leitungsfunktionäre zahlt. – In dem Wissen, das der von ihnen propagierte Gott nicht existiert, wissen die Funktionäre auch, dass ein wie auch immer gearteter Segen zwangsläufig ausbleiben muss, was den Gebern bleibt, ist u.U. die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde, in der sie Freunde haben und sich wohlfühlen, ein weiterer Vorteil entsteht ihnen nicht. Ein wirklich großer Vorteil entsteht aber den Funktionären, die die Geber mit ihren Aussagen dazu anhalten, die Ausgabe zu tätigen. Und wenn man dann noch rechnet, dass die Geber den gleichen Vorteil, den sie für großes Geld in der NAK erlangen, für deutlich weniger Geld auch in einem Heimatverein o.ä. erlangen können, ist klar, dass sie massiv übervorteilt worden sind. Also auch dann, wenn z.B. einem reichen Geber kein messbarer Schaden entsteht, fallen die zur Debatte stehenden Aussagen der NAK-Funktionäre unter das 8. Gebot und sind insofern als Lüge zu betrachten, die eigentlich einer gesellschaftlichen Ahndung bedarf.

 

Absolut gleich zu behandeln wären um ein weiteres aktuelles Beispiel zu nennen, auch die Wahlkampfaussagen unserer Politiker. Weitere Beispiele sind üble Nachrede und Mobbing. Aber was ist mit der Vielzahl tagtäglicher kleiner Lügen, die keinen unmittelbaren Schaden verursachen?

 

Aus humanistischer Sicht verhält es sich meiner Meinung nach so, dass der Lügner den Adressaten der Lüge (des falschen Zeugnisses) in jedem Einzelfall aus den verschiedensten denkbaren Gründen nicht für wert oder in der Lage hält, die Wahrheit zu hören. Der Lügner hält sich also insofern für besser als den Adressaten der Lüge. Da aber alle Menschen gleich wert sind, erhebt der Lügner sich also über den Adressaten der Lüge, verletzt diesen in seinem Menschsein.  Im Falle einer sogenannten „barmherzigen Lüge“ verpasst er sich ob seines scheinbaren Gutmenschentums vielleicht sogar eine Selbstbeweihräucherung. – So gesehen ist jede Unwahrheit abzulehnen. Auch dann, wenn die Wahrheit häufig größeren Schaden anzurichten scheint als die Lüge.

Das 9. und das 10. Gebot:

„Begehren“ Gedicht von Anne Simon, Hamburg
  • „Du wirst nicht begehren Deines Nächsten Weib;
  • Du wirst nicht begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was sein ist.“

 

Das neunte Gebot, ist ein Neidverbot wie das zehnte. Und es hat in der Bibel in beiden Dekalog-Varianten einen je unterschiedlichen Wortlaut. Im 2. Buch Mose ist vom Haus des Nächsten die Rede, im 5. Buch Mose wird die Frau genannt.

Da im Dekalog der Ehebruch explizit behandelt wird,  und da das sinnliche Begehren (sprich: die Fleischeslust) eine stärkere Triebkraft ist, als der Besitzneid, macht es meines Erachtens durchaus Sinn, dass die Ablehnung der sexuellen Geilheit auf die Frau des Nachbarn eine größere Bedeutung zugemessen wird als dem Besitzneid. Daher ist es folgerichtig, wenn dieser „Sünde“ ein eigener Paragraph gewidmet wird. – Abweichend von der modernen Interpretation der 10 Gebote soll deshalb hier für das neunte und zehnte Gebot die Lesart nach 5. Mose 5, 21 herangezogen werden.

 

Eigentlich sollte man meinen, dass man über diese Regel kein Wort zu verlieren bräuchte, da einsichtig ist, dass Geilheit und Neid Quellen ständigen Ärgernisses sein können. – Der Volksmund sagt: „Es kann der beste nicht in Frieden leben, wenn ihm die schöne Nachbarin gefällt.“ Aber kann das eine Sünde sein oder im humanistischen Sinn ein Vergehen?

Nein, kann es nicht! Da kein Mensch wirklich Herr seiner Gedanken ist, wenn es um essentielle Bedürfnisse geht. Kein Mensch, weder Mann noch Frau, kann etwas dafür, wenn er durch den Anblick eines anderen Menschen sexuell erregt wird. Und wenn dann im Kopf ein Pornofilm abläuft, kann ein Mensch auch dafür zunächst einmal nichts…

Anders als unsere Mitgeschöpfe mit geringer ausgeprägtem Urteilsvermögen, Ratten, Schweine, Affen o.ä., können wir Menschen aber einsehen, dass dieses Begehren dann zu Unfrieden führt, wenn das Objekt der Begierde (darauf kommen wir noch einmal zurück) nicht frei ist und erst recht dann, wenn es die Gefühle nicht erwidert. Wir können unser Denken unter Kontrolle bringen und Strategien entwickeln, mit diesem Begehren umzugehen. Anders ist es freilich, wenn das Begehren auf Gegenliebe stößt, dann gerät unter Umständen der Hahnrei in Konflikt mit vernünftigen menschlichen Regeln.

 

Eiskalt zu duschen ist jedenfalls zunächst die bessere Alternative als Selbstbefriedigung. Durch letztere wird nämlich die entsprechende Hirnregion für die lustvollen Gedanken belohnt, sie wird, um die Belohnung erneut zu erhalten, derartige Gedanken wieder wecken. – Es könnte zu einer Eskalation kommen, die zu verhindern, das 9. Gebot erfunden wurde.

Ein weiterer Gedanke hilft uns vielleicht dabei, uns zur Ordnung zu rufen. Stichwort „Objekt der Begierde“: Im Grunde genommen degradieren wir, wenn wir uns an einem anderen Menschen aufgeilen, diesen zu einem Gegenstand. Er wird zu einem Objekt, das als Mittel zum Zweck unserer sexuellen Befriedigung dient. Das ist nur dann in Ordnung, wenn der andere Mensch umgekehrt das gleiche Begehren gegenüber dem ersteren hat. Aber in allen anderen Fällen verletzen wir einen Mitmenschen in seinem Menschsein, was auch aus humanistisch ethischer Sicht zu verurteilen ist.

Trifft das Begehren, obwohl einer der Menschen nicht frei ist, auf beide zu, ist es aber völlig in Ordnung, wenn sich der gebundene aus der Bindung löst um sich in eine andere Verbindung zu begeben. Der Zurückbleibende wird klar in seiner Eitelkeit gekränkt sein, er wird den Vertragsbruch monieren und insofern Konsequenzen fordern – aber er hat kein Recht, den anderen am Fortgehen zu hindern und ihm Steine in den Weg zu legen, denn auch damit verletzt er ihn in seinem Menschsein: kein Mensch kann Besitz eines anderen Menschen sein, insofern hat auch kein Mensch das alleinige Verfügungsrecht über einen Menschen. – Für den Betrogenen mag das ein Debakel sein, und es wird ihm dadurch vielleicht eine üble Verletzung zugefügt, aber einen Rechtsanspruch auf den anderen Menschen hat er nie gehabt.

 

Wenn die Kirchen heute jedwede Art von „unkeuschen Gedanken“ mit dem 9. Gebot verknüpfen, so ist das also falsch. Abgesehen davon, dass ein Triebimpuls nicht willentlich ausgelöst wird, kann ein Verstoß gegen das 9. Gebot auch deshalb nicht pauschal eine Sünde sein, weil die Gedanken ja unter Umständen auf Gegenliebe stoßen, und dann wäre das okay. Es sei denn, unsere Gesellschaft ist wie eine Horde Paviane, in denen sich die Männchen zerfleischen um in den Besitz eines Weibchens zu gelangen.  Für eine derart archaische Gesellschaft scheint das 9. Gebot jedenfalls gemacht.

 

Wenden wir uns dem Besitzneid zu: Auch der ist bereits unter unseren weniger entwickelten Mitgeschöpfen zu beobachten. Er ist also „normal“ und kann keine Sünde sein. – Aber auch hier gilt, dass wir wissen, es wäre unrecht, uns die Habe unseres Nächsten anzueignen. Das 10. Gebot sagt also lediglich, dass das Unrecht bereits mit dem ersten Gedanken daran beginnt. – Wir können uns zu Ordnung rufen und uns die Konsequenzen ausmalen, die drohten, würden wir dem Neid nachgeben.

Ein weiterer Aspekt ist allerdings, dass das 10. Gebot auch ein Gebot der Reichen zur Unterdrückung der Armen ist! Die Reichen schützen ihre (oft unrechtmäßig erworbene) Habe vor den Begehrlichkeiten Dritter, indem sie ihnen, gemeinsam mit dem Klerus, vermitteln, dieses neidvolle Begehren sei eine Sünde.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese beiden Gebote weder mit einem Sündenbegriff noch mit einem Strafrechtsbegriff zusammenhängen, und dass sie, anders als das 6. Gebot, nicht einmal einen zivilrechtlichen Bezug haben. Sie beschreiben lediglich negative Charakterzüge, für die die Träger dieser Züge nichts können.

Allerdings liegt es grundsätzlich im Vermögen eines jeden Menschen zu verhindern, dass diese Charakterzüge zu Handlungen führen, die dann u.U. tatsächlich strafrechtliche Relevanz hätten.

 

 

Abschließend noch ein Blick auf das Christentum:

 

Der buddhistisch und humanistisch inspirierte Wanderprediger Jesus von Nazareth, auf den sich die Christen berufen, hat den biblischen Überlieferungen zufolge häufig aus dem Dekalog zitiert. Und er war es angeblich, der diese 10 Gebote unter dem Satz „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst …“ zusammengefasst hat.

 

Diese Behauptung ist unsinnig, denn es war zu jesuanischer Zeit längst üblich, den Dekalog auf das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zu konzentrieren. Es war keine Erfindung des Nazareners, sondern eine bereits im Pentateuch fixierte Regel:

 

„Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.“ vgl. 3. Mose 19, 18 (- klick).

 

Und außerdem ist die Zusammenfassung auf den Satz, den Nächsten wie sich selbst zu lieben noch nicht vollends vernünftig. Immerhin gibt es ja tatsächlich Menschen, die sich selbst nicht leiden können.

Besser ist es also, statt der Bibel die Vernunft zu Wort kommen zu lassen, so, wie es Immanuel Kant formuliert hat:

 

„Handle stets nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
[siehe Kant, „der kategorische Imperativ“ Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff, AA IV, 421 / GMS, BA 52]

 


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Kommentare

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  • Hase (Mittwoch, 03. September 2014 13:40)

    Hallo, dass das Gebot der Nächstenliebe im AT steht, war den Verfassern des NT bekannt. Niemand behauptet, dass dies eine christliche Erfindung sei. Das wird auch aus dem Wortlaut von Mk 12,28-34
    deutlich. Hier wird klar erkennbar aus der Schrift zitiert, d.h. aus der griechischen Übersetzung des Tanach. Jesus zeige demnach damit seine Kenntnisse der Thora.

    Im Übrigen ist weder das Gebot der Nächstenliebe alleine noch das Doppelgebot der Liebe, eine Zusammenfassung des Dekalogs. Viel mehr wird in der alt-testamentlichen Forschung gerade das Fehlen der
    Nächstenliebe, Feindesliebe usw herausgestellt. Hier wird betont, dass es bei dem Dekalog um eine Sammlung ethischer Regeln für Männer, Sippenvorsteher zueinander geht.

  • Gudrun (Sonntag, 29. Dezember 2013 16:10)

    Eine sehr schöne Ausarbeitung, mit vielen neuen Gedanken für mich.
    Ich merke, wie tief diese Gebote in der falschen Bedeutung im Unterbewusstsein verankert sind, obwohl ich seit langem Atheistin bin. Zeit, mal drüber nachzudenken, was wirklich ist.

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