(Eine biologische und philosophische Betrachtung)
Nach der Abiogenese entwickelten sich zunächst spezialisierte Zellen, die sich immer weiter ausdifferenzierten und sich zu organisierten Zellverbünden formten. Diese Zellverbünde wiederum organisierten sich zu unterschiedlich funktionierenden Geweben und Organen, die voneinander abhängig wurden und im Laufe der Evolution immer komplexere, harmonisch funktionierende Organverbünde bildeten. Diese organischen Systeme führten zur Entstehung von Lebewesen – Pflanzen, Tieren und schließlich dem Menschen. Damit sind alle Lebensformen – seien es Gräser, Schleimpilze, Schweine oder Menschen – genetisch miteinander verwandt.
Diese Sichtweise wurde bereits von Charles Darwin („On the Origin of Species“, 1859) und später von Ernst Haeckel („Generelle Morphologie der Organismen“, 1866) vertreten, die beide betonten, dass alles Leben auf gemeinsame biologische Prinzipien zurückzuführen ist. Haeckels Konzept des „Monismus“ fasste dies als ganzheitliches Weltbild zusammen, in dem alles Leben miteinander verbunden ist.
Betrachtet man intakte Natur, so zeigt sich, dass jede Lebensform ein funktionsabhängiger Teil eines größeren Organismus ist, den wir als Natur bezeichnen. Die Natur funktioniert als ein fein abgestimmtes System von Fressen und Gefressenwerden, von Wachstum und Zerfall. Leben benötigt zum Überleben organische Nahrung – und jedes Sterben ist lediglich das Ende der Funktion eines individuellen Organismus, nicht aber das Ende des Lebens selbst. Die organischen Bestandteile eines verstorbenen Organismus werden Teil des Kreislaufs der Natur: Sie dienen Mikroorganismen als Nahrung, welche wiederum Nährstoffe für Pflanzen freisetzen, die von Tieren aufgenommen werden – ein ewiger Zyklus des Stoffwechsels.
Der Biologe James Lovelock entwickelte in den 1970er Jahren die Gaia-Hypothese, welche die Erde als ein selbstregulierendes System betrachtet, das eine Art übergeordneten Organismus bildet. Seine Arbeiten („Gaia: A New Look at Life on Earth“, 1979) argumentieren, dass biologische Prozesse die Umweltbedingungen aktiv beeinflussen, um das Leben auf der Erde zu erhalten. Diese Hypothese ergänzt die Vorstellung der Natur als Superorganismus um eine wissenschaftliche Dimension.
Die Menschheit ist ebenfalls ein Bestandteil dieses Organismus, jedoch funktioniert sie nicht als harmonisches Element der Natur. Um dieses Phänomen zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Medizin:
In biologischen Geweben können sich Tumore bilden – ein unkontrolliertes, abnormes Wachstum von Körperzellen. Diese Tumore treten in verschiedenen Formen auf:
Überträgt man dieses Modell auf die Menschheit als Gewebe innerhalb des Superorganismus Natur, zeigt sich, dass der Mensch eine erhebliche Raumforderung darstellt, dessen Naturvölker jedoch nicht zerstörerisch wachsen. Erst der entwickelte Teil der Menschheit – überwiegend Christenmenschen – entwickelt sich zu einer Krebsgeschwulst. Er verdrängt und zerstört das ihn umgebende natürliche Gewebe in immer schnellerem Tempo. Zudem nutzt er Transportwege (Handel, Verkehr, Globalisierung), um sich weltweit auszubreiten und neue "Tochtergeschwülste" (Industriezonen, Megastädte) zu schaffen.
Die Analogie ist bestechend: Die Menschheit verhält sich wie ein Tumor – und die moderne Industriegesellschaft hat sich zu einem metastasierenden Krebsgeschwür entwickelt.
Rachel Carson wies bereits 1962 in „Silent Spring“ auf die zerstörerischen Folgen menschlichen Eingreifens in die Natur hin. Die Industrialisierung und der massive Einsatz von Chemikalien führten zu einer Störung der ökologischen Gleichgewichte. Wissenschaftler wie Paul Ehrlich („The Population Bomb“, 1968) und Donella Meadows („The Limits to Growth“, 1972) warnten frühzeitig vor den Konsequenzen einer unkontrollierten Expansion der Menschheit.
Heute sehen wir die Folgen dieser Entwicklung:
In der Medizin weiß man, wie man Tumore bekämpft: Durch chirurgische Entfernung, Bestrahlung oder Chemotherapie. Doch für den „Patienten Erde“ gibt es keinen externen Arzt – die Menschheit selbst müsste die Rolle des Heilers übernehmen. Eine drastische Verhaltensänderung wäre notwendig:
Die DDR-Band Karat brachte es in ihrem Song „der blaue Planet“ treffend auf den Punkt: „Uns hilft kein Gott, diese Welt zu erhalten.“
Letztlich liegt es an der Menschheit selbst, ob sie sich als heilbarer oder unheilbarer Tumor erweist. Die Frage bleibt:
„Ist sie bereit, ihre eigene Natur zu hinterfragen,
um den Organismus Erde zu retten?“