Die sogenannten Kirchenväter waren Theologen und Bischöfe der frühen christlichen Kirche, die einen großen Einfluss auf die Entwicklung der christlichen Lehre hatten. Sie lebten zwischen dem 1. und 8. Jahrhundert und verfassten wichtige Schriften zur Theologie, Ethik und Kirchengeschichte.
Die Kirchen behaupten (z.B. im Katechismus der Neuapostolischen Kirchen), diese Männer seien vom „Heiligen Geist“ inspiriert worden, in den ersten Konzilien, wichtige Grundlagen der christlichen
Lehre zu formulieren und die christlichen Dogmen entscheidend zu beeinflussen.
Dazu gehören zum Beispiel die Lehre von der Trinität, von der Person und der Doppelnatur Jesu als wahrer Mensch und wahrer Gott sowie die Erkenntnis, welch entscheidende Bedeutung das Opfer Jesu und
seine Auferstehung für das Heil und die Erlösung der Menschen haben.
Doch wer waren diese Männer wirklich? Welche Fakten sind gesichert, und welche Geschichten wurden nachträglich zu Heiligenlegenden ausgeschmückt? Hier werfen wir einen Blick auf einige der bekanntesten Kirchenväter (in chronologischer Reihenfolge):
Die wesentliche historische Quelle über Ignatius ist die Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea, die allerdings erst Anfang des 4. Jahrhunderts entstand. Zu diesem Zeitpunkt war Ignatius also bereits 200 Jahre tot. Die Aufzeichnung zur apostolischen Sukzession dürften jedoch korrekt sein.
Laut Eusebius (Kirchengeschichte 3,36,15) folgte Ignatius dem Euodius im Amt des Bischofs von Antiochien nach; Ignatius’ Nachfolger war Heros. - Ignatius war demnach also der dritte Patriarch und Bischof von Antiochien nach dem Apostel Simon Petrus und Euodius.
Fakten:
Legenden:
Quelle: Ehrman, Bart D.: „The Apostolic Fathers: Volume I“, ersch. 2003 bei Harvard University Press
Die historischen Quellen über dessen Biographie sind hauptsächlich seine eigenen Werke, sowie eine Aufzählung seiner Schriften in der Kirchengeschichte des Eusebius.
Er selbst stellte sich als „Justinos, Sohn des Priscus), Sohn des Bacheios von Flavia Neapolis, in Syrien Galiläa“ vor.
Flavia Neapolis ist der heutige Ort Nablus in den Palästinensischen Autonomiegebieten. Da der Vater einen lateinischen, der Großvater aber einen griechischen Namen trug, wird vermutet,
dass es sich nicht um Juden, sondern um eine Familie griechischer oder römischer Kolonisten handelte.
Fakten:
Legenden:
Quelle: Minns, Denis: „Justin Martyr: Philosopher and Martyr“, ersch. 2009 bei Oxford University Press
Quintus Septimius Florens Tertullianus war der erste lateinische Schriftsteller der frühen Kirche. Er prägte wichtige Begriffe und Konzepte, die später in der christlichen Theologie von großer Bedeutung werden sollten. Er verwendete beispielsweise erstmals den Begriff Trinität, um das Konzept der Dreieinigkeit Gottes auszudrücken, und setzte entscheidende Impulse bei der Erklärung des „Verhältnisses von menschlicher und göttlicher Natur in Christus“.
Biographische Daten über Tertullian sind wegen der unsicheren Quellenlage mit Vorsicht zu genießen. Einigermaßen sicher dürfte jedoch sein, dass er der Sohn eines römischen Offiziers war und einer punischen Frau war.
Fakten:
Legenden:
Quelle: Rankin, David: „Tertullian and the Church“, ersch. 1995 bei Cambridge University Press
warein frühchristlicher Bibelkommentator und Platoniker, der als erster Christ das Niveau kaiserzeitlicher Philologie und Philosophie erreichte. Er stammte vermutlich aus Tyros, wo er eine freie Philosophenschule leitete. Die Standardquelle für das Leben des Origenes ist das sechste Buch der Kirchengeschichte des Eusebius.
Fakten:
Legenden:
Quelle: Trigg, Joseph W.: „Origen: The Bible and Philosophy in the Third-century Church“, ersch. 1998 bei SCM Press
wurde in der nordafrikanischen Stadt Tagaste in der römischen Provinz „Africa Proconsularis“ geboren. 396 wurde er als Nachfolger des Valerius zum römischen Bischof von Hippo ernannt; er wurde erst nach seinem Tod zum Kirchenlehrer erhoben. Neben Hieronymus und gemeinsam mit Ambrosius von Mailand und Papst Gregor dem Großen gilt er als einer der vier lateinischen Kirchenväter des patristischen Zeitalters der Alten Kirche. Deren Übereinstimmung in dogmatischen exegetischen Fragen wurde kanonische Geltung zugesprochen.
Historische Quellen für seine Biografie liefern in erster Linie seine eigenen Werke. Außerdem bietet die Vita Augustini des Possidius von Calama zahlreiche Informationen. Insgesamt gilt Augustinus als eine der am besten dokumentierten Gestalten der Antike.
Fakten:
Legenden:
Quelle: Brown, Peter: „Augustine of Hippo: A Biography“, ersch. 2000 bei University of California Press
Die vielen Kirchenväter und Kirchenlehrer waren zweifellos kluge Denker und Theologen, aber ihre Biografien wurden im Laufe der Jahrhunderte oft überhöht oder mit Legenden angereichert. Ihre Schriften prägten das Christentum, doch sie zeigen auch, wie menschlich und fehlbar diese Gestalten waren.
Zudem ist die behauptete Inspiration durch den Heiligen Geist insofern problematisch, als sie weder bestätigt noch widerlegt werden kann. Die Behauptung hat keinen extern überprüfbaren Bezug.
Gerade für junge Menschen ist es wichtig, solche Geschichten kritisch zu betrachten und zwischen belegbaren Fakten und späteren Ausschmückungen zu unterscheiden. Am Beispiel der Kirchenväter wird deutlich, dass Religion, in diesem Fall das Christentum, nicht auf einer einheitlichen Wahrheit beruht, sondern auf einer Idee, die im Laufe der Zeit durch Menschen mit all ihren Irrtümern ausgeformt wurde.