Im Christentum unserer Zeit spielen die kanonischen Evangelien, die Apostelgeschichte und die Offenbarung eine zentrale Rolle. Im ausgehenden ersten und frühen zweiten Jahrhundert existierten jedoch eine ganze Reihe von Evangelien für alle möglichen frühchristlichen Richtungen und Strömungen, die je nach Gemeinde hoch im Kurs standen.
Erst ab Mitte des zweiten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung begannen die wichtigsten Bischöfe (das waren die noch von den Aposteln eingesetzten regionalen Stellvertreter des Apostolats und deren Nachfolger) in Konzilen darüber zu befinden, welche Schriften als göttlich inspiriert gelten können, und welche eben nicht – also apokryph sind.
Doch wie sind diese Texte entstanden, was war ihre Absicht, und was können wir heute über ihre Inhalte sagen? Hier erfährst Du, was diese Schriften ausmacht – ohne mystische Verklärung, sondern verständlich und mit einem kritischen Blick auf die Fakten.
Neben den vier kanonischen Evangelien gab es – wie gesagt – eine Vielzahl anderer Evangelien, die im frühen Christentum kursierten. Eines der bekanntesten ist das Thomas-Evangelium, das vermutlich älter ist als einige kanonische Texte:
Bedeutung der nicht kanonischen Evangelien
Diese Texte geben Einblick in die Vielfalt der frühen christlichen Traditionen und Glaubensvorstellungen. Sie zeigen, dass es keine einheitliche Lehre gab, sondern verschiedene Gemeinschaften unterschiedliche Aspekte von Jesus und seiner Botschaft betonten. Viele dieser Schriften wurden später als „apokryph“ abgelehnt, weil sie nicht mit den Lehren der aufstrebenden Großkirche übereinstimmten.
Die Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes erzählen die Geschichte von Jesus – seiner Geburt, seinem Wirken, seinem Tod und seiner Auferstehung. Doch sie sind keine
Augenzeugenberichte oder historische Biografien im heutigen Sinne. Ihre Verfasser wollten vor allem die Bedeutung von Jesus für die frühen christlichen Gemeinden hervorheben. Sie vermittelten jedoch
nicht jesuanische sondern paulinische Lehre.
Ihr Gehalt an echten Jesuswörten ist äußerst gering!
Die Evangelien enthalten Unterschiede in Details wie Jesu Geburtsort, seiner Abstammung und den Ereignissen der Auferstehung. Das liegt daran, dass jede Gemeinschaft, für die diese Texte geschrieben wurden, eigene Fragen und Bedürfnisse hatte. Die Evangelien sind daher mehr als theologische Erklärungen zu verstehen, die bestimmte Glaubensvorstellungen vermitteln.
Die Apostelgeschichte wurde vom gleichen Autor wie das Lukasevangelium geschrieben. Sie schildert, wie die frühe christliche Gemeinschaft nach dem Tod Jesu wuchs, beleuchtet aber in erster Linie die Reisen des Apostels Paulus
Die Apostelgeschichte ist eine theologisch geprägte Darstellung der Anfänge des Christentums. Sie ist kein neutraler Bericht über historische Ereignisse, sondern betont den Erfolg und die Richtigkeit der christlichen Bewegung aus paulinischer Sicht.
Die Offenbarung (auch Apokalypse genannt) wurde wahrscheinlich gegen Ende des 1. Jahrhunderts verfasst. Ihr Autor gibt sich als Johannes aus, doch ob dieser mit dem Verfasser des Evangeliums übereinstimmt, ist unklar.
Inhalt: Die Offenbarung beschreibt in symbolischen Bildern das Ende der Welt, das Gericht Gottes und das Kommen eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Bekannte Bilder sind das Tier mit der Zahl 666 und das Neue Jerusalem.
Bedeutung: Die Offenbarung sollte Christen ermutigen, die in schwierigen Zeiten lebten. Sie ist kein „Zukunftsfahrplan“, sondern eine Ermutigung für die damalige Gemeinschaft, im Glauben stark zu bleiben.
Kritische Perspektive: Die Bildsprache der Offenbarung ist komplex und oft missverstanden worden. Historisch gesehen spiegelt sie die Situation der Christen unter römischer Verfolgung wider.
Die Evangelien, die Apostelgeschichte und die Offenbarung sind wichtige Zeugnisse der frühen christlichen Bewegung. Sie sind jedoch keine historischen Dokumente,
sondern an die Menschen zu ihrer Entstehungszeit gerichtete theologische Texte, die den Glauben und die paulinische Botschaft von Jesus für ihre jeweilige Zeit vermitteln sollten.
Mit diesem Wissen kannst Du diese Schriften besser verstehen und sie kritisch hinterfragen.