Wenn Du nicht gerade im Umfeld des Katholizismus oder der Orthodoxie aufgewachsen bist, ist es für Dich völlig normal, dass Frauen gemeinde- und kirchenleitende Funktionen innehaben, sogar in der Neuapostolischen Kirche mit ihrer insgesamt eher rigiden Lehre werden seit vorigem Jahr (2024) auch Frauen zu Priesterinnen ordiniert.
Zu jesuanischer Zeit, sogar noch zu Lebzeiten Paulus‘ wäre das völlig normal gewesen. Aber noch Deine Urgroßeltern dürften erstaunt gewesen sein, eine Frau in gemeindeleitender und predigender, ja sogar in sakramentaler Funktion zu erleben.
Tatsächlich hat ein schrittweiser Wandel zurück zur ursprünglichen Rolle der Frauen in der Kirchen erst im 19. Jahrhundert eingesetzt. Lediglich in der Orthodoxie und in der Römisch Katholischen Kirche sind Frauen von der Priesterweihe ausgeschlossen (seit dem 12. Jahrhundert de facto, seit 1994 durch Johannes Paul II. dogmatisch festgelegt). Diskussionen über die Weihe von Diakoninnen gibt es seit Jahrzehnten, wurden aber 2023 von Papst Franziskus erneut zurückgewiesen.
Werfen wir gemeinsam einen Blick auf die Entwicklung der Rolle der Frauen im frühen Christentum, und analysieren, warum die Frauen später systematisch marginalisiert wurden:
In den Evangelien tauchen mehrfach Frauen auf, die nicht nur eine passive, sondern eine aktive Rolle im Wirken Jesu spielen. Einiges leibt dabei im spekulativen Bereich, da keine Überlieferungen über das Liebesleben des Wanderpredigers aus Nazareth vorliegen. Ich selbst halte es nach allem, was wir auf diesen Seiten hier über Jesus gelesen haben, für ausgeschlossen, dass er asexuell gelebt hat. Daher halte ich es für absolut denkbar, dass er zu der einen oder anderen Frau auch eine sexuelle Beziehung hatte. Vielleicht war Jesus aber auch schwul… ein gewisser Johannes soll da eine Rolle gespielt haben. ABER: Dieser Johannes könnte durchaus auch eine Johanna gewesen sein, und nur die kirchliche Tradition zwingt sie in eine männliche Rolle.
Anders als wir das noch vor 50 Jahren angenommen hatten, war Apostel Paulus wohl doch kein so arger Chauvinist, wie es uns durch das Corpus Paulinum erschien. Erst nach der Entlarvung der Pseudepigraphien und Falschzuordnungen wurde klar, dass die Frauen in den frühen Gemeinden der Anhänger des Weges durchaus auch Führungsfunktionen bekleideten:
Während Frauen in den ersten Jahrzehnten des Christentums eine aktive Rolle spielten, setzte sich in der späteren Kirche eine patriarchale Struktur durch. Gründe dafür:
Frauen spielen im frühen Christentum eine viel aktivere Rolle, als es die spätere Kirche vertritt. Die Marginalisierung war das Ergebnis einer bewussten theologischen und institutionellen Entwicklung, die sich an römischen und jüdisch-patriarchalen Strukturen orientierte. Mit der Kanonisierung und Institutionalisierung des Glaubens wurden Frauen systematisch ausgeschlossen – ein, das bis in die heutigen Kirchen Muster hineinreicht.
Die folgenden Abschnitte sind zwar „Off Topic“, da das Thema aber brandaktuell ist, werfen wir doch noch einen Blick auf die …
Das Umdenken in der christlichen Welt ist weitgehend durch gesellschaftliche Entwicklungen und den Feminismus beeinflusst worden. Zugegeben: Nicht nur, sondern auch aus dem Mangel an männlichen Bewerbern für die entsprechenden Ämter. Jedenfalls kam der Wandel nicht durch eine „innere Reformbereitschaft“ der Kirchen.
Während protestantische Frauen größtenteils gleichgestellt sind, bleiben die katholischen und orthodoxen Kirchen Männerbünde. Es gibt aber auch innerhalb dieser Kirchen Druck von reformorientierten Gruppen – ob es langfristig zu Veränderungen kommt, bleibt abzuwarten.