Archäologie und Paläoanthropologie legen nahe, dass der Mensch sich bereits in frühesten Zeiten mit dem Tod befasst hat und damit, was möglicherweise danach kommt. Und das zieht sich durch die Menschheitsgeschichte fort bis in unsere Tage.
Das ist leicht zu erklären: Die einzige unumstößliche Gewissheit des Menschen ist seine individuelle Existenz. Davon, nicht zu existieren, haben wir Menschen keine Vorstellung. Wir können aber – je nach Mentalität – Phantasievorstellungen entwickeln, wo wir existieren, wenn wir tot sind.
Artefakte aus prähistorischer Zeit geben uns einen Eindruck davon, wie sich die damaligen Menschen das Leben im „Jenseits“ vorgestellt haben mögen. Von den antiken Kulturen liegen uns schriftliche Überlieferungen vor. Und wenn wir beispielsweise an die amerikanischen Ureinwohner denken, gibt es eine Verschriftlichung der bis in das vorige Jahrhundert mündlich tradierten Idee der „ewigen Jagdgründe“
Wir müssen uns jedoch klarmachen, dass alles das reine Phantasie ist. Noch nie ist jemand nachweislich zurückgekehrt und hat uns berichtet, wie es ist, tot zu sein.
Was aber auffällt: Die Jenseitsvorstellungen sind regelmäßig sehr an die jeweiligen Lebensumstände in den verschiedenen Epochen angelehnt.
Wir hier befassen uns mit den christlichen Lehren, die mit ihren Jenseitsvorstellungen auf biblische Traditionen zurückgreifen Und daher ist es nicht verwunderlich, dass uns auch die Bibel kein durchgängig gültiges Konzept liefert. – Die Jenseitsvorstellungen der Bibel sind weder einheitlich noch konsistent. Sie haben sich über die Jahrhunderte entwickelt und variieren stark zwischen den verschiedenen biblischen Büchern. Und sie sind auch in unserer modernen Zeit recht vielfältig. Schauen wir einmal genauer hin:
Im AT ist der „Sheol“ (hebräisch: שְׁאוֹל) die zentrale Vorstellung vom Jenseits. Es handelt sich um einen düsteren Ort, an dem die Toten als Schattenwesen existieren. Es gibt keine Vorstellung von klarer Belohnung oder Bestrafung im Jenseits, sondern einen Zustand des Nichtseins.
Prediger 9,10: „Im Totenreich, wohin du gehst, gibt es weder Tun noch Überlegung, weder Erkenntnis noch Weisheit.“
Im späteren Judentum (etwa zur Zeit der Makkabäer, 2. Jh. v. Chr.) kam die Vorstellung einer körperlichen Auferstehung auf. Diese wurden besonders von den Pharisäern vertreten.
Daniel 12,2: „Viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur ewigen Schmach.“
Erst mit dem Christentum entstand eine dualistische Vorstellung: Himmel als Ort der Seligkeit für Rechte und Hölle als Ort der Qual für Sünder. Die findet ihre drastischste Gegenüberstellung in der Offenbarung des Johannes, der apokalyptische Visionen eines himmlischen Jerusalems und eines feurigen Pfuhls beschreibt (Offb 20,14–15).
Matthäus 25,46: „Und diese werden in die ewige Strafe gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.“
Im Katholizismus entwickelte sich aus apokryphen Quellen die Vorstellung eines „Fegefeuers“ als Zwischenstation, wo die Seelen gereinigt werden.
2. Makkabäer 12,45: „Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, für die Toten zu beten, damit sie von ihren Sünden befreit werden.“
Bei der Vielfalt der unterschiedlichen Überlieferungen schon alleine im Abrahamitismus sollten wir unbedingt die Wissenschaften heranziehen, um uns ein klareres Bild zu schaffen:
Biblische Mythen: Die Jenseitsvorstellungen in der Bibel sind widersprüchlich und von ihrer Zeit geprägt. Sie spiegeln menschliche Ängste, Hoffnungen und Machtstrukturen wider.
Nahtoderfahrungen: Diese sind faszinierende neurologische und psychologische Phänomene, aber kein Beleg für ein Leben nach dem Tod.
Jenseitskontakte: Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise für Kontakte mit Verstorbenen oder eine Weiterexistenz der Seele.
Die Angst vor dem Tod und das Bedürfnis nach einem Weiterleben haben die Menschheit stets begleitet. Doch anstatt uns von religiösen Mythen und spekulativen Berichten leiten zu lassen, sollten wir den Tod als natürlichen Teil des Lebens akzeptieren und uns darauf konzentrieren, dieses Leben so bewusst und sinnvoll wie möglich zu gestalten. – Es ist das einzige, von dem wir wirklich wissen!