Die sogenannte Weihnachtsgeschichte, wie sie in der christlichen Tradition erzählt wird, ist eine Zusammensetzung verschiedener Erzählungen aus den Evangelien nach Matthäus und Lukas. Beide Evangelien haben ihre eigene Version der Ereignisse rund um die Geburt von Jesus, die sich in vielen Punkten unterscheiden. Interessanterweise gibt es zwei andere Evangelien – Markus und Johannes – die überhaupt nichts über Jesu Geburt berichten. Das allein sollte uns schon stutzig machen: Wenn die Geburt so zentral wäre, warum schweigen dann zwei der vier Evangelisten darüber?
Danach wird die Geschichte mit großem Drama ausgeschmückt: Es kommen Sterndeuter (oft als die drei Könige interpretiert) aus dem Osten, um Jesus zu huldigen. Ein Stern führt sie zu ihm. Gleichzeitig wird berichtet, dass der König Herodes alle männlichen Säuglinge in Betlehem töten lässt, weil er Jesus als Bedrohung für seinen Thron sieht – der sogenannte Kindermord von Betlehem. Um diesem Massaker zu entkommen, flieht die Heilige Familie nach Ägypten.
Die beiden Geschichten sind auf den ersten Blick romantisch, doch sie passen kaum zusammen:
Neben den kanonischen Evangelien gibt es sogenannte apokryphe Evangelien, die von den Kirchen nicht in die Bibel aufgenommen wurden. In einigen dieser Texte, wie dem Protoevangelium des Jakobus oder dem Kindheitsevangelium des Thomas, werden weitere Geschichten über die Geburt und Kindheit Jesu erzählt. Diese Schriften sind jedoch oft noch fantastischer:
Diese Texte verdeutlichen, wie stark die Frühzeit Jesu mit Mythen und Legenden ausgeschmückt wurde, um seine besondere Rolle zu betonen.
Die Weihnachtsgeschichte ist alles andere als ein historischer Bericht! Vielmehr ist sie eine theologische Erfindung. Sie wurde so gestaltet, dass Jesus die Erwartungen an den Messias aus dem Alten Testament erfüllt. Das führt zu einer Vielzahl von Widersprüchen und Ungereimtheiten:
Die Weihnachtsgeschichte mag für viele Menschen eine schöne Tradition sein, aber sie sollte nicht mit historischen Fakten verwechselt werden. Jugendliche sollten lernen, biblische Erzählungen kritisch zu hinterfragen. Warum wird die Geburt Jesu so stark betont, obwohl sie in der übrigen Bibel kaum eine Rolle spielt? Warum schweigen zwei der Evangelisten dazu?
Die Antwort liegt auf der Hand: Es ging den Autoren nicht um historische Genauigkeit, sondern darum, eine Geschichte zu schreiben, die ihren Glauben unterstützt. Wer die Fakten kennt, kann die Mythen als das erkennen, was sie sind: literarische Konstruktionen, die die religiösen Botschaften verstärken sollen. In einer modernen, wissenschaftlich geprägten Welt sollten wir uns von solchen Konstruktionen nicht blenden lassen, sondern die Tatsachen – und die dahinterliegenden Motive – erkennen.