Wenn man in der Schule oder in der Kirche von Jesus hört, kommt irgendwann immer die Rede auf die Passionsgeschichte: der Leidensweg Jesu, seine Kreuzigung und sein Tod am Karfreitag. Und das kommt nicht von Ungefähr. Zwar bezeichnen die Christen „Pfingsten“ als Geburtstag ihrer Kirche, der ihrer Lehre zufolge markiert jedoch der Karfreitag, das wichtigere Ereignis.
Wie viel davon tatsächlich historisch belegt ist, und was eher in die Welt der Legenden gehört, wollen wir hier erörtern. Werfen wir einen genauen Blick auf die überlieferten Ereignisse:
Evangelien (Markus, Matthäus, Lukas, Johannes)
Paulusbriefe
Apostelgeschichte
Außerkanonische christliche Texte
Jüdische Quellen
Römische Quellen
Die Geschichte, wie sie in den Evangelien steht, erzählt von Jesu Verhaftung, Verhör durch die religiösen Autoritäten, seiner Verurteilung durch Pontius Pilatus, der Kreuzigung und seinem Tod am Kreuz. Die vier Evangelien (Markus, Matthäus, Lukas und Johannes) berichten jeweils ähnliches – aber nicht immer genau das Gleiche.
Zum Beispiel heißt es bei Markus, dass Jesus am Tag nach dem Passahmahl gekreuzigt wurde, während Johannes sagt, die Kreuzigung fand vor dem Fest statt. Auch bei den letzten Worten Jesu am Kreuz gibt es Unterschiede: In einem Evangelium schreit er: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, in einem anderen sagt er: „Es ist vollbracht!“. Diese Widersprüche zeigen schon: Die Evangelien sind keine tatsächlichen Augenzeugenberichte, sondern von späteren Autoren aufgeschrieben worden.
Matthäus schreibt von einem extrem außergewöhnlichen Ereignis im Zusammenhang mit dem Tod Jesu:
Sollte sich das tatsächlich ereignet haben, ist es schon sehr verwunderlich, dass in keiner anderen Quelle davon die Rede ist.
Die Kreuzigung selbst gilt unter Historikern als eines der wenigen Ereignisse im Leben Jesu, das einigermaßen sicher ist. Es war eine gängige Hinrichtungsmethode der Römer für Aufständische und Kriminelle. Aber die genauen Umstände sind unklar, weil es außerbiblisch kaum Quellen gibt, die Jesu Tod bestätigen.
Die Passionsgeschichte, so wie wir sie kennen, wurde vor allem aus alttestamentlichen Texten und römischen Praktiken zusammengestellt. Viele Details, wie der Verrat durch Judas, die Dornenkrone oder die Worte am Kreuz, könnten spätere Ausschmückungen sein, um die Geschichte dramatischer zu machen.
Ein Beispiel: In Psalm 22 heißt es: „Sie haben meine Hände und Füße durchgraben“ – ein Vers, der im Judentum auf die Leiden eines Gerechten bezogen wurde. Die frühen Christen haben solche Stellen oft verwendet, um Jesus als den Messias darzustellen.
Die Kreuzigung war eine der brutalsten und langwierigsten Hinrichtungsmethoden der Antike. Warum berichten die Evangelien dann, dass Jesus bereits nach wenigen Stunden gestorben ist? Hier gibt es mehrere Ansätze, die das erklären könnten:
Wie Prof. Johannes Fried in seinem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ im Anschluss an einen Mediziner mutmaßt, könnte es auch so gewesen sein, dass Jesus lediglich tief bewusstlos war und irrtümlich für Tod gehalten wurde. – Wir werden im Aufsatz über das Ostergeschehen noch einmal darauf zurück kommen
Die Evangelien wurden Jahrzehnte nach Jesu Tod geschrieben, in einer Zeit, in der die junge christliche Gemeinde wachsen musste. Die Autoren wollten mit der Passionsgeschichte die Bedeutung Jesu betonen und zeigen, dass sein Tod Teil eines göttlichen Plans war. Deshalb wurde viel Wert darauf gelegt, Parallelen zu alttestamentlichen Prophezeiungen herzustellen.
Bei der Entstehung und Verbreitung des Sünd-Opfer-Tod-Mythos von Jesus hat der „Apostel“ Paulus von Tarsus eine maßgebliche Rolle. Viele christliche Theologen und Historiker betrachten ihn als die prägendste Figur in der Entwicklung der jungen Gemeinde.
Wirt werden diesem Aspekt daher einen getrennten Aufsatz widmen.
Die Schuld für Jesu Tod wurde fälschlicherweise oft den jüdischen Autoritäten zugeschoben – was im Laufe der Geschichte leider zu viel Antisemitismus geführt hat. Historisch wahrscheinlicher ist, dass die römischen Besatzer Jesus hinrichteten, weil er als politischer Unruhestifter galt.
Was heißt das nun für uns? Die Passionsgeschichte ist keine objektive Berichterstattung, sondern eine religiöse Erklärung. Sie will weniger historische Fakten liefern, als vielmehr Glaubensaussagen treffen: Jesus sei für die Sünden der Menschen gestorben.
Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage: Ist es richtig, Kindern und Jugendlichen diese Geschichte als historische Wahrheit zu verkaufen? Gerade weil viele Details offensichtlich übertrieben oder erfunden sind, sollte man kritisch darüber nachdenken, was man glaubt – und warum.
Die Passionsgeschichte ist eine Mischung aus historischem Kern, theologischer Deutung und mythologischer Ausschmückung. Wer sie nur aus der Bibel kennt, bekommt eine idealisierte Version präsentiert. Historische Wissenschaft kann uns helfen, die wahre Geschichte dahinter zu verstehen – und sie zeigt uns, wie wichtig es ist, Dinge kritisch zu hinterfragen.