Der sogenannte „Heilige Geist“ ist ein wichtiger Bestandteil christlicher Lehren, aber was genau das sein soll, bleibt ziemlich schwammig. In der Bibel taucht der Begriff an mehreren Stellen auf, aber so richtig prominent wird er erst im Neuen Testament, vor allem in den ersten beiden Kapiteln der Apostelgeschichte.
Pfingsten, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben wird, ist eine ziemlich spektakuläre Szene. Da sitzen die Jünger Jesu zusammen, 50 Tage nach Ostern, und plötzlich kommt ein lautes Geräusch, „wie ein gewaltiger Sturm“, und dann erscheinen ihnen „Zungen wie von Feuer“, die sich auf alle Anwesenden verteilen. Zack – sie können plötzlich in allen möglichen Sprachen reden, auch in solchen, die sie vorher nie gelernt haben. Das Ganze wird als die „Ausgießung des Heiligen Geistes“ beschrieben und vergoldet in der christlichen Tradition als der Moment, in dem die Kirche geboren wurde.
Der „Heilige Geist“ ist in der Bibel schwer zu greifen. Mal wird er als Kraft beschrieben, mal als göttlicher Helfer oder Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte haben Kirchenväter und Theologen versucht, daraus eine klare Lehre zu basteln, was aber eher komplizierter als verständlicher wurde. Letztlich wurde der Heilige Geist im 4. Jahrhundert in die sogenannte Trinität eingebaut – die Vorstellung, dass Gott aus drei „Personen“ besteht: Vater, Sohn (Jesus) und Heiliger Geist.
Und hier wird's spannend: Die Szene in der Apostelgeschichte ist literarisch aufgeladen und voller Symbolik, aber sie wirkt ziemlich konstruiert. Es gibt keinen einzigen Hinweis in der außerbiblischen Geschichtsschreibung, dass so ein Ereignis tatsächlich stattgefunden hätte. Weder römische Historiker noch jüdische Quellen erwähnen etwas von einer Gruppe Galiläer, die plötzlich in diversen Sprachen predigten und dabei Menschenmassen anzogen. Das ist ungewöhnlich, wenn man bedenkt, wie auffällig das sein müsste.
Auch in den älteren Schriften des Neuen Testaments – wie den Briefen des Paulus – wird der „Heilige Geist“ zwar erwähnt, aber Pfingsten als spektakuläres Ereignis taucht dort gar nicht auf. Das legt nahe, dass diese Geschichte später hinzugefügt wurde, um dem frühen Christentum eine Art göttliche „Geburtsstunde“ zu geben.
Historiker und Bibelwissenschaftler gehen davon aus, dass die Apostelgeschichte – insbesondere diese Geschichte – stark idealisiert oder sogar frei erfunden ist. Die Autoren wollten die Bedeutung der Kirche betonen und das Christentum als göttlich inspiriert darstellen. Symbolik spielt dabei eine große Rolle: Der „Sturm“ könnte für Gottes Kraft stehen, die „Feuerzungen“ für Inspiration und die Sprachenvielfalt für die Verbreitung des Glaubens.
Außerdem wurde die Szene wahrscheinlich geschrieben, um Parallelen zu anderen religiösen Bewegungen zu ziehen. In der Antike waren ekstatische Zustände, wie Zungenreden oder Visionen, in verschiedenen Kulten nichts Ungewöhnliches. Man könnte auch sagen: Die Geschichte von Pfingsten wurde clever inszeniert, um das Christentum in dieser Tradition zu positionieren.
Dass so ein spektakuläres Ereignis nirgendwo sonst auftaucht, spricht Bände. Entweder es hat nicht stattgefunden, oder es war nicht so spektakulär, wie die Bibel es darstellt. Historiker, die nach handfesten Beweisen für diese Erzählung gesucht haben, sind jedenfalls leer ausgegangen.
Für junge Menschen wie dich ist es entscheidend zu verstehen, dass die Bibel kein Geschichtsbuch ist. Sie enthält Geschichten, die oft dazu dienen, eine bestimmte Botschaft zu vermitteln oder einen Glauben zu rechtfertigen. Wenn du auch hörst, dass Pfingsten der „Geburtstag der Kirche“ ist, solltest Du das mit Vorsicht genießen: Es ist eher eine symbolische Erzählung als ein historisches Ereignis.