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Petrus - Lehrer, Missionar oder Legendenfigur?

Durch die jüngst erfolgte Papstwahl, ist auch Petrus wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Immerhin gilt der frisch gekürte Papst Leo XIV. als 266. Nachfolger des Petrus als Bischof von Rom. Den Ehrentitel „Papa“ – wovon sich die Bezeichnung „Papst“ ableitet – tragen die Bischöfe von Rom (übrigens nach dem Vorbild der Bischöfe von Alexandria) allerdings erst seit dem 5. Jhdt.

 

Doch wer war Petrus wirklich? Viele Christen sehen in ihm den ersten Papst, den Begründer der römischen Kirche und einen weltweit reisenden Missionar. Aber belegen die ältesten, historisch ernstzunehmenden Quellen tatsächlich seine Lehrtätigkeit und mögliche Missionsreisen? Die nüchterne Antwort lautet: Man erfährt darüber weniger als erwartet.

 

Bei dem Versuch, den historischen Petrus zu zeigen, werde ich auch auf die vier zentralen Mythen rund um den ersten Papst der christlichen Tradition eingehen und die jeweils tradierten Erzählungen den historisch-kritisch belegbaren Fakten gegenüberstellen. Dabei verweise ich im laufenden Text auf die wichtigsten Quellen…

Das „Hast du mich lieb?“-Wortspiel    (Johannes 21,15–17)

Mythos: Nach der Überlieferung fragt Jesus Petrus dreimal:

 

„Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ – „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe (agapāō).“

„Hüte meine Schafe.“

Dann: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ – „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe (phileō).“ usw.

 

Gerade der Unterschied zwischen agapāō (höchste göttliche Liebe) und phileō (freundschaftliche Zuneigung) wird oft so gedeutet, als habe Petrus hier sprachlich versagt und Jesus korrigiert ihn.

 

Die Fakten sagen etwas anderes:

  1. Griechischer Text:
    In Johannes 21,16–17 steht in allen frühesten Handschriften ausschließlich phileō, nicht abwechselnd agapāō und phileō; die Unterscheidung agapāō–phileō tritt erst in späteren Handschriften und Übersetzungen auf (z. B. Codex Bezae) – siehe Novum Testamentum Graece (NA28), Apparateintrag zu Joh 21,15–17.
  2. Sprachlicher Kontext
    Im 1. Jh. n. Chr. war der Unterschied zwischen agapāō und phileō noch nicht so festgelegt wie in späterer Theologie; beide Verben konnten fast synonym gebraucht werden (BDAG, s. v. phileō).
  3. Schlussfolgerung
    Das berühmte „Wortspiel“ ist vermutlich eine spätere theologische Ausschmückung, die den Eindruck erwecken sollte, Petrus habe sich zuerst nur freundschaftlich und dann „göttlich“ innig zu Jesus bekannt.

Quellen:

  • Novum Testamentum Graece (NA28), Anmerkungen zu Johannes 21,15–17
  • BDAG: F. W. Danker u. a., A Greek-English Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature

„Tu es Petrus“ - der Kirchengründungs­mythos (Matthäus 16,18)

Dem Mythos zufolge sagt Jesus zu Petrus:

 

„Du bist Petrus (griechisch: Petros), und auf diesen Felsen (petra) will ich meine Kirche bauen.“

 

Diese Wortwahl wird so verstanden, als habe Jesus Petrus zum alleinigen Grundstein und Leiter (Bischof) der späteren Kirche bestimmt.

 

Das hier sind die Fakten:

  1. Wortspiel im Griechischen?
    Petrus heißt ursprünglich „Kephás“ (Aramäisch „Fels“), das Jesus vermutlich in Aramäisch gesprochen hat. Die griechische Form Petros („Felsstück“) und petra („Fels, Klippe“) reimen sich erst in der Übersetzung; im Urtext Aramäisch entfällt das Wortspiel (siehe J. Jeremias, Jesus, wie ihn die Zeugen berichten, S. 247).
  2. Kontext von Matthäus 16
    Der Abschnitt ist Teil eines Dialogs um das Bekenntnis: Jesus fragt „Wer sagen die Leute, dass ich sei?“ (V.13), dann „Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei?“ (V.15). Petrus’ Antwort („Du bist der Christus“) ist der eigentlich entscheidende Moment.
  3. Bau der „Kirche“
    Das griechische ekklesia kann einfach Versammlung/Gemeinde bedeuten, nicht unbedingt eine hierarchisch organisierte Institution.

Quellen:

  • Joachim Jeremias, Jesus, wie ihn die Zeugen berichten (Kohlhammer, 2. Aufl. 1994), S. 245–250
  • R. T. France, The Gospel of Matthew (Eerdmans, 2007), Kommentar zu Mt 16,18

Die Schlüsselgewalt bzw. -vollmacht (Matthäus 16,19)

Dem Mythos zufolge übergibt Jesus an Petrus „die Schlüssel des Himmelreichs“ und damit die alleinige Vollmacht über Sündenvergebung und Lehre („Was du binden wirst…“).

 

Auch hier lohnt ein Blick auf die Fakten

  1. Biblischer Kontext
    In der Antike symbolisieren Schlüssel oft Vollmacht über ein Haus oder Schatz (z. B. Jesaja 22,22; Sacharja 3,7). Die Formulierung „binden und lösen“ ist jüdisch-­rabbinisch (Talmud; vgl. Matthews jüdischen Hintergrund in France, S. 646).
  2. Verteilung an die ganze Gemeinde?
    Im unmittelbar folgenden Kapitel (Mt 18,18) erhält die Formulierung „binden und lösen“ alle Jünger („Was ihr auf Erden bindet…“), nicht nur Petrus.
  3. Früheste Rezeption
    Die altkirchliche Praxis, Petrus als alleinigen Urheber der Schlüsselgewalt darzustellen, setzt sich erst im 3. Jh. fest (z. B. Tertullian, De pud. cap. 7), in der Bibel selbst aber fehlt ein exklusiver Anspruch.

Quellen

  • R. T. France, The Gospel of Matthew, Kommentar zu Mt 18,18
  • Joachim Jeremias, Gesetz und Geschichte im Neuen Testament (Mohr Siebeck, 1966), Kap. V
  • Tertullian, De pudicitia 7 (ca. 200 n. Chr.)

Die belegbare Lehrtätigkeit:                   Petrus in Jerusalem und Umgebung

Die Apostelgeschichte des Lukas schildert Petrus als führende Gestalt der ersten Christengemeinde in Jerusalem. Er hält laut Text die berühmte „Pfingstpredigt“ (Apg. 2), heilt Kranke, unterweist die Gläubigen im Tempel und wird mehrfach verhaftet – was seine Autorität unter den ersten Anhängern des „neuen Weges“ zu stärken scheint.

 

Später unternimmt Petrus kleinere Reisen innerhalb des jüdisch geprägten Raums:

  • Lydda:      Heilung eines Gelähmten (Apg 9,32–35)
  • Joppa:      Auferweckung der gläubigen Frau Tabita (Apg 9,36–43)
  • Caesarea: Taufe des römischen Hauptmanns Kornelius, was als symbolischer Türöffner zur Heidenmission gilt (Apg 10–11)

 

Diese Reisen beschränken sich auf das Gebiet von Judäa und Galiläa – es handelt sich also nicht um weite Missionsreisen, sondern um Bewegungen innerhalb des heutigen Israel/Palästina.

 

Ob tatsächlich Gemeindegründungen auf Petrus zurückgehen, bleibt fraglich. Sicher ist nur eines: Er war führend an der Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem beteiligt. Ob er andere Gemeinden gegründet hat, lässt sich aus den ältesten Quellen nicht belegen. Weder die christlichen Gemeinden in Kleinasien noch die in Rom oder gar Spanien lassen sich mit Sicherheit auf ihn zurückführen.

Petrus als erster Bischof von Rom              und sein Märtyrertod

Hier beginnt das Reich der reinen Legenden. Die Vorstellung, Petrus sei nach Rom gereist, habe dort die Gemeinde gegründet und sei schließlich als Märtyrer gestorben, taucht erstmals in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts auf. Der Kirchenvater Irenäus von Lyon († ca. 202) erwähnt dies zwar, doch ohne Belege. Eusebius von Cäsarea († ca. 340) übernimmt diese Tradition und fügt weitere Details hinzu – aber auch er schreibt rund 250 Jahre nach den angeblichen Ereignissen.

 

Auffällig: In den Paulusbriefen, die zeitlich deutlich näher an den historischen Petrus heranreichen, findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass Petrus in Rom war. Im Gegenteil: Als Paulus selbst in Rom wirkt (ca. 60–64 n. Chr.), erwähnt er Petrus mit keinem Wort – eine auffällige Lücke, wenn Petrus wirklich dort gewesen sein sollte.

 

Unabhängig davon hält sich der Mythos Petrus sei nach Rom gekommen, dort erster Bischof gewesen und habe sich aus besonderem Opferwillen kopfüber kreuzigen lassen.

 

Schauen wir auch hier auf die Fakten;

  1. Früheste Hinweise auf Petrus in Rom
    – Irenäus († ca. 202 n. Chr.) schreibt: „…und der apostolische Stuhl in Rom, von Petrus und Paulus selbst gegründet“ (Adv. Haer. III,1,1), beruft sich aber offenbar auf mittlerweile verlorene Traditionen.
    – Eusebius (H. E. II,25,4) erwähnt, dass Petrus in Rom wirkte und starb, nennt aber keine zeitgenössischen Zeugnisse.
  2. Fehlende zeitgenössische Quellen
    – In den paulinischen Briefen und den Apostelgeschichten (Apg.) fehlt jeglicher Hinweis auf eine Tätigkeit Petrus’ in Rom.
    – Die ‚Erste Clemens‘-Briefe (um 96 n. Chr.) loben Petrus stark, erwähnen aber nie seinen Tod in Rom.
  3. Märtyrertod kopfüber
    – Die Idee, Petrus habe sich „aus Unterordnung zu Christus“ kopfüber kreuzigen lassen, stammt aus der apokryphen Acta Petri (3. Jh.) und ist frühestens bei Cyprian († 258) angedeutet. Historisch gilt das als Legende.

Quellen

  • Irenäus von Lyon, Gegen die Häresien III,1,1
  • Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte II,25,4
  • Acta Petri (Apokryphen, 3. Jh.)
  • J. N. D. Kelly, Early Christian Doctrines (Harper & Row, 2. Aufl. 1978), Kap. 4

Die Vorstellung von Petrus als „Weltapostel“ ist also spätere Wunschprojektion und keine historische Realität. Sie diente dem Zweck, dem römischen Bischofsamt eine apostolische Autorität zu verleihen – rückblickend konstruiert, nicht durch Quellen belegt.

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