Durch die jüngst erfolgte Papstwahl, ist auch Petrus wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Immerhin gilt der frisch gekürte Papst Leo XIV. als 266. Nachfolger des Petrus als Bischof von Rom. Den Ehrentitel „Papa“ – wovon sich die Bezeichnung „Papst“ ableitet – tragen die Bischöfe von Rom (übrigens nach dem Vorbild der Bischöfe von Alexandria) allerdings erst seit dem 5. Jhdt.
Doch wer war Petrus wirklich? Viele Christen sehen in ihm den ersten Papst, den Begründer der römischen Kirche und einen weltweit reisenden Missionar. Aber belegen die ältesten, historisch ernstzunehmenden Quellen tatsächlich seine Lehrtätigkeit und mögliche Missionsreisen? Die nüchterne Antwort lautet: Man erfährt darüber weniger als erwartet.
Bei dem Versuch, den historischen Petrus zu zeigen, werde ich auch auf die vier zentralen Mythen rund um den ersten Papst der christlichen Tradition eingehen und die jeweils tradierten Erzählungen den historisch-kritisch belegbaren Fakten gegenüberstellen. Dabei verweise ich im laufenden Text auf die wichtigsten Quellen…
Mythos: Nach der Überlieferung fragt Jesus Petrus dreimal:
„Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ – „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe (agapāō).“
„Hüte meine Schafe.“
Dann: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ – „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe (phileō).“ usw.
Gerade der Unterschied zwischen agapāō (höchste göttliche Liebe) und phileō (freundschaftliche Zuneigung) wird oft so gedeutet, als habe Petrus hier sprachlich versagt und Jesus korrigiert ihn.
Die Fakten sagen etwas anderes:
Quellen:
Dem Mythos zufolge sagt Jesus zu Petrus:
„Du bist Petrus (griechisch: Petros), und auf diesen Felsen (petra) will ich meine Kirche bauen.“
Diese Wortwahl wird so verstanden, als habe Jesus Petrus zum alleinigen Grundstein und Leiter (Bischof) der späteren Kirche bestimmt.
Das hier sind die Fakten:
Quellen:
Dem Mythos zufolge übergibt Jesus an Petrus „die Schlüssel des Himmelreichs“ und damit die alleinige Vollmacht über Sündenvergebung und Lehre („Was du binden wirst…“).
Auch hier lohnt ein Blick auf die Fakten
Quellen
Die Apostelgeschichte des Lukas schildert Petrus als führende Gestalt der ersten Christengemeinde in Jerusalem. Er hält laut Text die berühmte „Pfingstpredigt“ (Apg. 2), heilt Kranke, unterweist die Gläubigen im Tempel und wird mehrfach verhaftet – was seine Autorität unter den ersten Anhängern des „neuen Weges“ zu stärken scheint.
Später unternimmt Petrus kleinere Reisen innerhalb des jüdisch geprägten Raums:
Diese Reisen beschränken sich auf das Gebiet von Judäa und Galiläa – es handelt sich also nicht um weite Missionsreisen, sondern um Bewegungen innerhalb des heutigen Israel/Palästina.
Ob tatsächlich Gemeindegründungen auf Petrus zurückgehen, bleibt fraglich. Sicher ist nur eines: Er war führend an der Entstehung der Urgemeinde in Jerusalem beteiligt. Ob er andere Gemeinden gegründet hat, lässt sich aus den ältesten Quellen nicht belegen. Weder die christlichen Gemeinden in Kleinasien noch die in Rom oder gar Spanien lassen sich mit Sicherheit auf ihn zurückführen.
Hier beginnt das Reich der reinen Legenden. Die Vorstellung, Petrus sei nach Rom gereist, habe dort die Gemeinde gegründet und sei schließlich als Märtyrer gestorben, taucht erstmals in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts auf. Der Kirchenvater Irenäus von Lyon († ca. 202) erwähnt dies zwar, doch ohne Belege. Eusebius von Cäsarea († ca. 340) übernimmt diese Tradition und fügt weitere Details hinzu – aber auch er schreibt rund 250 Jahre nach den angeblichen Ereignissen.
Auffällig: In den Paulusbriefen, die zeitlich deutlich näher an den historischen Petrus heranreichen, findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass Petrus in Rom war. Im Gegenteil: Als Paulus selbst in Rom wirkt (ca. 60–64 n. Chr.), erwähnt er Petrus mit keinem Wort – eine auffällige Lücke, wenn Petrus wirklich dort gewesen sein sollte.
Unabhängig davon hält sich der Mythos Petrus sei nach Rom gekommen, dort erster Bischof gewesen und habe sich aus besonderem Opferwillen kopfüber kreuzigen lassen.
Schauen wir auch hier auf die Fakten;
Quellen
Die Vorstellung von Petrus als „Weltapostel“ ist also spätere Wunschprojektion und keine historische Realität. Sie diente dem Zweck, dem römischen Bischofsamt eine apostolische Autorität zu verleihen – rückblickend konstruiert, nicht durch Quellen belegt.