Von F.-C. Schlangen
Kürzlich brachte Prof. Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft eine alte Idee in neuer Verpackung aufs Tapet: Einen Feiertag streichen, um die Produktivität zu steigern. Der Vorschlag mag auf den ersten Blick pragmatisch wirken, doch er kratzt nur an der Oberfläche eines viel grundlegenderen Problems: der inhaltlichen wie organisatorischen Überholtheit unseres Feiertagskalenders.
Ein Blick auf den Kalender genügt: Je nach Bundesland variieren die arbeitsfreien Tage erheblich. Während in Bayern und Baden-Württemberg katholisch geprägte Feiertage üppig gesät sind, gehen die Menschen in Brandenburg oder Berlin an diesen Tagen ganz normal zur Arbeit. Diese föderale Zersplitterung behindert die wirtschaftliche Synchronisation und erzeugt vermeidbare Reibungsverluste – in der Logistik, im Kundendienst, in der länderübergreifenden Projektarbeit. Wer ernsthaft von „Standortvorteilen“ sprechen will, sollte nicht an einem einzigen Feiertag schrauben, sondern die systemische Asynchronie beseitigen.
Hinzu kommt ein gesellschaftlicher Realitätsverlust: Die meisten Feiertage wurzeln in christlicher Tradition – in einer Zeit, als die Kirchen noch definieren durften, was „heilig“ ist. Doch das ist längst Vergangenheit. Christen bilden in Deutschland eine relative Minderheit (lt. ‚fowid‘ max. 48,5%), und in den ostdeutschen Bundesländern ist die Bevölkerung sogar WEIT überwiegend konfessionsfrei. Feiertage wie Fronleichnam oder Mariä Himmelfahrt sind für viele Menschen inhaltlich bedeutungslos – sie funktionieren allenfalls noch als arbeitsfreier Tag mit fragwürdigem ideologischem Unterbau.
Zugleich wird säkularen Menschen regelmäßig vorgeworfen, sie „schmarotzten“ an christlichen Feiertagen, ohne ihren Glauben zu teilen. Diesem Vorwurf kann man auf elegante Weise den Boden entziehen: durch die Abschaffung religiös motivierter Feiertage – oder besser noch: durch ihre Ersetzung.
Was spricht dagegen, sich bei der Auswahl der arbeitsfreien Tage an objektiv nachvollziehbaren, natürlichen Ereignissen zu orientieren? Die astronomisch definierten Eckpunkte des Jahres – Sonnenwende und Tagundnachtgleiche – sind global relevante Marker, die völlig ohne metaphysische Deutung auskommen. Sie bieten sich als verbindende Orientierungspunkte an, die weder konfessionell aufgeladen noch ideologisch verbrämt sind.
Ein solcher Wandel würde nicht nur der gesellschaftlichen Realität besser entsprechen, sondern auch das Bildungspotenzial dieser Tage erhöhen: Statt leeren Ritualen könnten diese Daten Anlass für naturwissenschaftliche Bildung, kulturelle Reflexion und globale Vernetzung bieten.
Der Vorschlag, einen Feiertag zu streichen, mag fiskalisch motiviert sein – er greift aber viel zu kurz. Was wir brauchen, ist keine kosmetische Kürzung, sondern eine tiefgreifende Neuausrichtung: Weg von kirchlich dominierten Feiertagskalendern hin zu einer einheitlichen, rationalen und inklusiven Lösung.