Die Szene ist rasch erzählt: Ein Mann im Talar – pardon, im schwarzen Anzug – verkündet im Brustton der göttlichen Gewissheit, dass nicht etwa er, Jean-Luc Schneider, die Personalentscheidung getroffen habe. Nein, der liebe Gott persönlich habe schon „vor Grundlegung der Welt“ beschlossen, dass ein gewisser Herr Heynes Bezirksapostel (mit Helfer-Zwischenstufe) zu werden habe. Was beim nüchternen Blick auf das Ganze nach einem banalen Verwaltungsakt aussieht – die Frage: Wer übernimmt nach dem Kriminaldirekter a.D. Rüdiger Krause die Verantwortung für Norddeutschland und ein halbes Dutzend Länder? – wird rhetorisch in eine kosmische Dimension aufgeblasen: göttliche Prädestination, ur-ewige Vorsehung, und ein Stammapostel, der angeblich direkt im Gespräch mit Gott den entscheidenden Wink erhalten hat.
Einmal mehr behauptet der Präsident einer winzigen christlichen Denomination, er sei das Sprachrohr des Schöpfers:
Nun könnte man, wäre man Philosoph oder schlicht denkfähiger Mensch, eine einfache Frage stellen: Wenn doch „Gott schon immer wusste“ und „die Wege bereitet“ hat – was ist dann die Zustimmung des Aspiranten wert? Wozu das ritualisierte „Jawort“, wenn der Entscheid ohnehin seit Äonen festgeschrieben ist? Hier kollidieren zwei dogmatische Fiktionen frontal:
Im Schneider’schen Kosmos werden beide Behauptungen einfach übereinandergelegt – und keiner merkt, dass das Ganze in sich so widersprüchlich ist wie die Quadratur des Kreises. Man könnte fast meinen, es handele sich um eine gezielte Pseudologie, die Widersprüche nicht löst, sondern systematisch kultiviert, um Menschen in kognitiver Gefangenschaft zu halten.
Schneiders Methode ist durchsichtig: Er beansprucht für sich die Rolle des göttlichen Sprachrohrs. Nicht er trifft die Entscheidung, sondern Gott. Schneider ist also bloß der Durchleitungsbeamte des Himmels. Diese Selbstentlastung ist praktisch:
Man kennt das Muster: Mit „Deus vult!“ – „Gott will es!“ – begannen die Kreuzzüge. Auch dort war „der göttliche Wille“ das Totschlagargument, um Blut, Gewalt und Machtpolitik zu rechtfertigen. Heute ersetzt man das Schwert durch Ordinationsformeln und interne Karriereleitern, doch der Mechanismus bleibt identisch: Der Machthaber versteckt seinen Willen hinter einer göttlichen Fiktion.
Besonders bemerkenswert ist der sarkastische Einstieg Schneiders: „Das war jetzt definitiv nicht der Traum deines Lebens…“ – ein joviales Lachen, das schnell in ernste Miene kippt. Der Aspirant wird damit öffentlich als widerwillig, aber gefügig dargestellt – die perfekte Bühne für das Dogma: Du hast dir das nicht ausgesucht, Gott hat dich gezwungen.
Die rhetorische Choreografie folgt einem klaren Muster:
Das Ergebnis: Ein Mensch wird rhetorisch in eine Position gedrängt, die er weder aus freien Stücken gewählt hat, noch ablehnen darf, ohne als Verräter an Gott zu gelten.
Was hier in Hannover-List aufgeführt wurde, ist kein harmloses Ritual, sondern eine exemplarische Inszenierung geistlicher Machtsicherung. Schneider verwandelt einen schlichten Amtswechsel in eine pseudomystische Vorsehungsdramatik. Er verkauft seinen Verein als „Werk Gottes“ und setzt Personalpolitik gleich mit Weltenlenkung.
Die eigentliche Pointe: Wenn Gott nicht existiert, hat Schneider mit niemandem gesprochen. Dann bleibt nichts als ein Mann, der in anmaßender Weise behauptet, sein eigenes Wollen sei göttlicher Wille. Genau diese Anmaßung ist das Fundament von Machtmissbrauch – gestern bei den Kreuzzügen, heute im Apostelverein.