Stell dir vor, es gäbe so etwas wie einen „Weltgeist“ oder ein unsichtbares Netzwerk, das alles Leben verbindet. Klingt spannend, oder? Aber bevor wir uns auf solche Ideen einlassen, gibt es ein Prinzip, das wir nutzen können: Ockhams Rasiermesser . Es besagt:
Außerdem: Gibt es einfachere Erklärungen als einen göttlichen Plan? Ja, die gibt es – und zwar wissenschaftliche!
Unsere Religiosität und Spiritualität kommen aus uns selbst – genauer gesagt: aus unserem Gehirn. Der Mensch hat eine natürliche Fähigkeit, Muster zu erkennen. Das war überlebenswichtig für unser Vorfahren: Wir hörten in der Nacht ein Geräusch und dachten „Vielleicht ist das ein Raubtier!“, hatte eine höhere Überlebenschance. Aber diese Fähigkeit führt auch dazu, dass wir manchmal Zusammenhänge sehen, wo keine sind – wie „Geister im Dunkeln“.
Außerdem hilft uns Religion, mit schwierigen Situationen klarzukommen. Sie gibt uns Trost und ein Gefühl von Gemeinschaft, besonders in Krisenzeiten oder bei großen Lebensübergängen, wie z. B. bei einer Konfirmation oder Hochzeit.
Die Regeln, nach denen die Welt funktioniert – wie Schwerkraft oder Thermodynamik – sind keine göttlichen Gesetze. Sie sind grundlegende physikalische Prinzipien, die immer gleich ablaufen. Dadurch entstehen Strukturen, die wir als schön oder harmonisch empfinden, wie z. B. die Spiralen in Schneckenhäusern oder die perfekte Symmetrie von Schneeflocken.
Sogar Musik basiert auf diesen Mustern! Unser Gehirn liebt bestimmte Intervalle und Rhythmen. Wenn du eine Bach-Kantate hörst und Gänsehaut bekommst, dann liegt das eher an der Biologie und Psychologie als an etwas Mystischem.
Was ist mit diesen intensiven Gefühlen, die viele als „Erleuchtung“ beschreiben? Diese entstehen oft in Momenten von Entspannung, Meditation oder tieferer Konzentration. Neurobiologisch passiert Folgendes: Bestimmte Bereiche im Gehirn, die für unser Zeit- und Selbstgefühl zuständig sind, verändern ihre Aktivität. Plötzlich fühlen wir uns eins mit der Welt oder Zeit und Raum anders wahr.
Auch ich kenne solche Gefühle – obwohl ich Atheist bin. Für mich passiert das oft bei beeindruckenden Dingen wie dem Kölner Dom oder der Musik von Bach. Der Dom mit seinen riesigen Bögen und seiner Höhe lässt uns staunen und gibt uns das Gefühl, mit etwas Größerem verbunden zu sein. Musik von Bach wirkt ähnlich: Sie wurde so komponiert, dass sie unser Gehirn auf eine besondere Weise anspricht und uns Trost, Freude oder Ehrfurcht fühlen lässt.
Religiosität und Spiritualität entstehen aus unserer Musterfähigkeit, unserer Fähigkeit zu erkennen, und unserem Bedürfnis nach Sinn und Gemeinschaft. Die Schönheit und Harmonie in der Natur basieren auf den immer gleichen physikalischen Prinzipien. Mystische Erlebnisse sind spannende Phänomene, die unser Gehirn erzeugt – beeindruckend, aber nicht übernatürlich.
Was wir als „göttlich“ empfinden, ist das Ergebnis natürlicher Prozesse. Und mal ehrlich: Ist es nicht genauso faszinierend, dass unsere Welt auch ohne Götter so unglaublich schön und aufregend ist?