Es ist jedes Mal das gleiche Schauspiel: Kurz vor einem der sogenannten „Gottesdienste für Entschlafene“ werden neuapostolische Medien zu Missionsinstrumenten im Feinstaubformat. Denn während sich naturwissenschaftlich denkende Menschen mit der Endlichkeit des Lebens abfinden, versucht die Neuapostolische Kirche, aus der Trauer eine spirituelle Geschäftsgrundlage zu machen – diesmal wieder mit Simon Heiniger als nac.today-Redaktuer und Stammapostel-Sprecher in Personalunion.
Heiniger beginnt seinen Artikel mit dem altkirchlichen Credo: „… die sichtbare und die unsichtbare Welt.“ Schon hier zeigt sich die Strategie – aus einem bloßen Glaubenssatz wird ein „Kapitel“ der sogenannten „unsichtbaren Schöpfung“, ein pseudologisch abgesichertes Paralleluniversum, in dem alles behauptet, aber nichts überprüft werden kann.
Das ist bequem, denn in einer „Welt jenseits der menschlichen Erfassbarkeit“ lässt sich bekanntlich alles ansiedeln: Engel, Seelen, Zwischenreiche – und natürlich das exklusive Heilsmonopol der
NAK-Apostel.
Dass die Bibel selbst nur in Bildern und Gleichnissen von „Himmel“ und „Reich Gottes“ spricht, verschweigt Heiniger geflissentlich. Stattdessen werden diese Metaphern zur topographischen Realität umdeklariert – mit der impliziten Botschaft: „Wir Apostel wissen, wie’s dort aussieht, und wir haben den Schlüssel.“
Das Lieblingsdogma neuapostolischer Sakramentenmagie wird hier erneut zelebriert: Die Taufe oder das Abendmahl seien nur die sichtbaren Teile eines unsichtbaren göttlichen Wirkens. Damit wird das, was real geschieht – ein Ritus aus Wasser, Brot und Wein –, durch eine metaphysische Zusatzbedeutung aufgebläht, die man glauben muss, weil sie sich rational nicht fassen lässt.
Und dann folgt der große Taschenspielertrick: Diese „unsichtbare Wirkung“ gelte auch für Tote. Lebende Stellvertreter empfangen Wasser und Wein, während – angeblich – irgendwo in der „unsichtbaren Schöpfung“ jenseitige Seelen davon profitieren. Das ist keine Theologie, das ist spiritistische Fiktion in kirchlicher Verpackung.
Besonders perfide ist die emotionale Instrumentalisierung von Trauer. Heiniger spricht von einem „engen Verhältnis zwischen Lebenden und Toten“, das „gerade vor den Entschlafenen-Gottesdiensten“ entstehe. Genau hier spielt die NAK auf der psychologischen Klaviatur: Wer trauert, ist verletzlich – wer an Wiederbegegnung glaubt, ist empfänglich.
So wird der Gottesdienst zum emotionalen Köder, das Apostolat zur „Brücke ins Jenseits“, und das Bedürfnis nach Trost zum Absatzmarkt für Sakramente, die man angeblich bis in die Geisterwelt exportieren kann.
Die zentrale Botschaft lautet unausgesprochen: Nur durch uns haben auch deine Toten eine Chance.
Wer das für pastoral hält, verkennt den manipulativen Kern.
Naturwissenschaftlich betrachtet ist das ganze Gebäude eine in sich geschlossene Denkblase: Keine empirische Beobachtung, kein experimenteller Nachweis, kein logischer Konsistenztest. Die „unsichtbare Welt“ ist ein rhetorisches Auffangbecken für alles, was sich nicht erklären lässt, aber trotzdem gebraucht wird, um Machtstrukturen zu stabilisieren.
Ein epistemologischer Offenbarungseid, getarnt als Offenbarung Gottes.
Wer einen geliebten Menschen verliert, braucht keinen Apostel, der mit unsichtbaren Schlüsseln hantiert. Trost entsteht aus Erinnerung, Liebe und menschlicher Nähe – nicht aus kultisch aufgeladenen Stellvertreterritualen.
Die Neuapostolische Kirche hätte die Chance, Menschen in ihrer Trauer ehrlich zu begleiten. Stattdessen bietet sie ihnen eine Theaterkulisse, in der Geistwesen zur Bühne gebeten werden und Lebende zu Statisten einer Heilsinszenierung werden.
Simon Heiniger verkauft Nebel als Licht. Er kleidet spiritistischen Dogmenkitsch in biblische Sprache und nennt es „Lehre“.
Wer aber mit offenen Augen liest, erkennt:
Hier wird der Tod benutzt, um den Glauben an apostolische Macht zu verlängern.
Das ist keine Seelsorge – das ist die andere Seite der Manipulation.