… ist das Ergebnis einer langen Reihe kultureller Überformungen, Brüche und Anpassungen. Was heute als „christliche Feiertage“ firmiert, hat seine Wurzeln keineswegs in einem einheitlichen Glaubenssystem, sondern ist das Produkt einer historischen Kontamination: germanische Traditionen, römische Staatskulte und die von jüdischen Christengemeinden getragenen missionarischen Aktivitäten überlagerten sich über Jahrhunderte.
Die germanischen Völker, ursprünglich in einer nordischen Mythologie verwurzelt, wurden nicht nur militärisch unterworfen, sondern auch kulturell überprägt. Mit den römischen Legionen reisten Judenchristen, deren Glaubensvorstellungen sich allmählich zum institutionalisierten Christentum formierten. Parallel dazu etablierten sich – häufig unbeachtet – auch jüdische Gemeinden, deren kulturelle Spuren in Mitteleuropa bis heute sichtbar sind.
So entstand das, was man gerne „jüdisch-christliches Erbe“ nennt: ein Sammelsurium religiöser Narrative, das aus unterschiedlichen Epochen, Motiven und Machtansprüchen besteht. Deutschland ist in diesem Sinne weniger ein „christliches Land“ als ein historisch vielschichtiges Gebilde – mit jüdischen Einflüssen, christlicher Dominanz und zunehmend einer wachsenden muslimischen Bevölkerung.
Alle drei Traditionen beanspruchen für sich, ernst genommen zu werden. Doch wer den gemeinsamen Ursprung betrachtet – den sogenannten Abrahamitismus –, stößt schnell auf einen problematischen Kern: eine theologische Konstruktion, die von inneren Widersprüchen, exklusiven Wahrheitsansprüchen und kultureller Übergriffigkeit geprägt ist. Der „gemeinsame Hintergrund“ erweist sich bei genauerem Hinsehen weniger als verbindendes Fundament, sondern eher als ideologische Fassade, unter der sehr unterschiedliche – und oft miteinander unvereinbare – Welterzählungen verborgen liegen.
Dieses Kapitel und die darunter erscheinenden Aufsätze beleuchten die Feiertage dieser drei Religionen nicht als sakrale Wahrheiten, sondern als historische, soziale und politische Artefakte. Es zeigt, wie sie entstanden, wozu sie ideologisch dienten – und welche Spuren sie bis heute in unserer Gesellschaft hinterlassen.
Gemeinsame chronologische Übersicht der Hochfeste
(Judentum – Christentum – Islam)
JANUAR – FEBRUAR
● Epiphanias / Dreikönigstag (Christentum)
FEBRUAR – MÄRZ
● Purim (Judentum)
Freudenfest zur Rettung des jüdischen Volkes laut Buch Esther.
MÄRZ – APRIL
● Ramadan beginnt (Islam)
Monat des Fastens; verschiebt sich jährlich ca. 10–11 Tage nach vorne.
● Pessach (Passah) (Judentum)
Gedenken an den Auszug aus Ägypten; siebentägiges Fest.
● Karwoche / Ostern (Christentum)
Leidenswoche, Kreuzigung und Auferstehung Jesu.
APRIL – MAI
● Yom HaShoah (Judentum)
Gedenktag an den Holocaust.
● Yom HaAtzma’ut (Judentum)
Israelischer Unabhängigkeitstag (zivil-religiös eingebettet).
● Eid al-Fitr (Islam)
Fest des Fastenbrechens; Ende des Ramadan.
● Lag BaOmer (Judentum)
Freudiger Zwischenfeiertag während der Omer-Zählung.
MAI – JUNI
● Schawuot (Judentum)
Fest der Tora-Gabe am Sinai; auch Wochenfest genannt.
● Christi Himmelfahrt (Christentum)
40 Tage nach Ostern.
● Pfingsten (Christentum)
50 Tage nach Ostern; „Geburtsstunde der Kirche“.
● Fronleichnam (Christentum, katholisch)
Eucharistisches Hochfest.
JUNI – JULI
● Eid al-Adha (Islam)
„Opferfest“, größtes muslimisches Fest; verbunden mit der Hadsch.
● Arafat-Tag (Islam)
Höhepunkt der Wallfahrt; spirituell höchster islamischer Tag.
● Tischa beAv (Judentum)
Trauertag über die Zerstörung der Tempel in Jerusalem.
SEPTEMBER – OKTOBER
● Rosh haShana (Judentum)
Jüdisches Neujahr; Beginn der Hohen Feiertage.
● Jom Kippur (Judentum)
Versöhnungstag, heiligster Tag der jüdischen Religion.
● Sukkot (Judentum)
Laubhüttenfest; eine Woche lang.
● Simchat Tora (Judentum)
Freudenfest über die Tora; Abschluss von Sukkot.
NOVEMBER – DEZEMBER
● Allerheiligen / Allerseelen (Christentum, katholisch)
Gedenktage der Heiligen und Verstorbenen.
● Advent (Christentum)
Vierwöchige Vorbereitungszeit auf Weihnachten.
● Chanukka (Judentum)
Lichterfest zur Wiedereinweihung des Tempels.
● Weihnachten (Christentum)
Geburt Jesu am 25. Dezember.