Stell dir vor, wir reisen 1,7 Millionen Jahre in die Vergangenheit. Wir landen im heutigen Afrika, genauer gesagt im Great-Rift-Valley. Die Gegend sieht ganz anders aus als heute – überall laufen
wilde Tiere herum: riesige Antilopen, Pferde mit Streifen, und sogar Säbelzahnkatzen. Mitten in dieser Landschaft lebt ein Urmensch, den Wissenschaftler Homo erectus nennen.
Homo erectus ist noch nicht der moderne Mensch, den du aus dem Spiegel kennst, aber er hat schon einige coole Fähigkeiten: Er läuft aufrecht, benutzt einfache Werkzeuge und weiß vermutlich sogar, wie man Feuer nutzt (obwohl sich die Experten darüber noch streiten). Sein Gehirn ist schon deutlich größer als das seines Vorfahren, aber trotzdem noch kleiner als das eines Menschen von heute.
Homo erectus lebt in einer Welt voller Geheimnisse. Jeden Tag sieht er den Sonnenaufgang, spürt den Regen, beobachtet die Sterne und die Jahreszeiten. Und wie ein neugieriges Kind fragt er sich: „Wer oder was steckt hinter all dem?“
Da er selbst Werkzeuge macht und damit Dinge verändern kann, mag er sich ‚denken‘ (wie geht denken, wenn man keine Sprache hat?): „Vielleicht gibt es da draußen Jemanden, der all das hier gemacht hat?“ So entsteht eine Idee, die uns bis heute begleitet – die Idee von einem Schöpfer oder einem Gott.
Es war keine Religion wie diejenigen, die wir heute kennen, sondern einfach ein Gedanke – eine Vermutung, die Homo erectus half, seine Welt zu verstehen.
Springen wir 1,4 Millionen Jahre in die Zukunft. Es ist jetzt das Jahr 60.000 vor unserer Zeit. Der moderne Mensch, Homo sapiens , hat sich entwickelt. Sein Gehirn ist fast doppelt so groß wie das von Homo erectus, und das Wichtigste: Er kann jetzt sprechen! Endlich kann er seine Gedanken mit anderen teilen.
Mit der Sprache kommt auch etwas Neues: Geschichten. Die Menschen erzählen sich, wie nach ihrer jeweiligen Meinung die Welt entstehen konnte, warum die Sonne aufgeht oder warum der Regen fällt. Diese Geschichten nennt man Mythen. Einer dieser Mythen wird später zur Grundlage für den biblischen Schöpfungsbericht: die Erzählung, dass ein Gott die Welt erschaffen hat.
Vor etwa 50.000 Jahren beginnen Menschen, ihre Verstorbenen zu begraben – oft mit kleinen Geschenken wie Schmuck oder Waffen. Das zeigt, dass sie an ein Leben nach dem Tod glauben. Auch die Idee von einem „Paradies“, einem perfekten Ort, an dem alles gut ist, entsteht.
Warum glauben sie das? Vielleicht deshalb, weil kein Mensch weiß, wie sich „totsein“ anfühlt. Auch heute kann noch sich niemand vorstellen, NICHT zu sein. Wir alle kennen nur das Sein, wir sind
hier oder wir reisen irgendwo hin und sind dann dort. Aber immer SIND wir…
Vielleicht aber auch, weil sie sich an ihre Heimat erinnern, die sie wegen Hunger oder Gefahren verlassen mussten. Diese „Vertreibung aus dem Paradies“ wird später zu einer der bekanntesten
Geschichten der Bibel.
Stell dir vor, du lebst vor etwa 30.000 Jahren. Du bist ein/e Jäger*in oder ein/e Sammler*in. Dein Alltag dreht sich darum, Nahrung zu finden: Du jagst Tiere, sammelst Beeren, Wurzeln und Nüsse. Die Natur ist dein Zuhause – und sie ist riesig, mächtig und manchmal ganz schön unberechenbar.
Wenn die Sonne scheint, hast du gute Tage. Doch wenn ein Sturm aufzieht oder wilde Tiere dein Lager bedrohen, merkst du, wie klein du bist. Viele Jäger und Sammler glauben deshalb, dass in der Natur mächtige Geister wohnen: in der Sonne, den Flüssen, den Bäumen und sogar in den Tieren.
Die Menschen verehren diese Geister und versuchen, sie zu besänftigen. Vielleicht malen sie deshalb riesige Tierbilder in Höhlen, wie in Lascaux, Frankreich. Diese Kunstwerke sind nicht nur hübsch, sondern könnten ein Kunstritual gewesen sein – so wie eine Bitte an die Tiergeister, ihnen gutes Jagdglück zu bringen.
Jetzt machen wir in der Vergangenheit einen großen Sprung nach vorn: Wir landen vor etwa 10.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit. Die Welt wird wärmer, die Gletscher schmelzen, und die Menschen entdecken etwas, das ihr Leben für immer verändert: den Ackerbau.
Statt immer weiterzuziehen, um Nahrung zu suchen, beginnen sie, an einem Ort zu bleiben. Sie pflanzen Getreide an, halten Tiere wie Ziegen oder Schafe – und bauen die ersten Dörfer. Aber die Landwirtschaft bringt nicht nur Vorteile. Plötzlich gibt es Dürren, Überschwemmungen oder Heuschreckenplagen, die die Ernte zerstören können.
In dieser Zeit entstehen die ersten echten Religionen. Die Menschen beten nun zu Göttern, die über das Wetter, die Ernte und das Leben bestimmen. Eine der bekanntesten Göttinnen ist die „Mutter Erde“, die für Fruchtbarkeit und Leben steht.
Springen wir ins Jahr 3.000 vor Christus. Die Menschen haben große Städte wie Ur, Babylon oder Theben gebaut. Diese Hochkulturen haben beeindruckende Tempel, Paläste und sogar Kalender, um die Zeit zu messen.
In Mesopotamien, Ägypten und Indien gibt es mächtige Götter, die oft wie Menschen aussehen, aber besondere Kräfte haben. Zum Beispiel der ägyptische Sonnengott Ra, der jeden Morgen aufsteht, um die Sonne über den Himmel zu bringen. Oder Ishtar, die Göttin der Liebe und des Krieges in Mesopotamien.
Die Religion ist nun fest mit der Gesellschaft verbunden. Priester kümmern sich um die Rituale, während Könige behaupten, dass sie von den Göttern selbst ausgewählt wurden, um zu herrschen.
Vor etwa 3.000 Jahren entsteht eine völlig neue Idee: der Monotheismus, also der Glaube an nur einen Gott. Diese Idee taucht zuerst im alten Israel auf, in der Religion der Juden.
Die Geschichten der Bibel erzählen von Abraham, Moses und dem Volk Israel, das an einen einzigen Gott glaubte, der allmächtig ist und die Welt geschaffen hat. Dieser Glaube ist eine Revolution, denn die meisten Menschen verehren noch viele verschiedene Götter.
Später wird dieser Glaube die Grundlage für zwei der größten Religionen der Welt: das Christentum und den Islam.
Heute gibt es auf der Welt über 4.000 Religionen, von großen, wie dem Christentum, Islam und Hinduismus, bis zu kleineren Naturreligionen. Aber obwohl sie alle unterschiedlich sind, haben sie
eines gemeinsam: Sie sind von Menschen ausgedacht worden.
Und oft helfen Religionen den Menschen, über das Leben nachzudenken, Trost zu finden und eine Gemeinschaft zu schaffen. – Das geht auch ganz ohne Religionen. Das erleben wir heute, wo zumindest in
modernen Gesellschaften die Religionen immer mehr an Bedeutung verlieren.
Vielleicht glaubst du selbst an einen Gott, vielleicht auch nicht. Aber eines ist sicher: Die Suche nach Antworten und die Fragen nach dem „Warum?“ sind etwas, das uns Menschen schon immer beschäftigt hat – und wahrscheinlich auch in Zukunft begleiten wird.