Die gängige Bedeutung einer Garantie im philosophischen, rechtlichen und alltagssprachlichen Verständnis ist:
"Wer etwas garantiert, übernimmt eine verbindliche Verpflichtung für das Eintreten oder Bestehen eines bestimmten Zustands — mit der Konsequenz, im Falle des Nichteintritts dafür einzustehen oder Ersatz zu leisten. Eine Garantie unterscheidet sich daher deutlich von bloßen Versprechen, Hoffnungen oder Bekenntnissen, da sie eine Haftung impliziert."
Und nun schauen wir uns im Lichte dieses Wissens einmal den NAKI-Impuls für Mai 2025 an:
Wenn religiöse Autoritäten etwas garantieren, sollte man innehalten. Nicht, weil das Versprechen per se unglaubwürdig ist, sondern weil das Wort „Garantie“ ein hohes Gewicht trägt. Wer garantiert, übernimmt Verantwortung. Wer garantiert, setzt sich aus. Und wer garantiert, kann im Ernstfall haftbar gemacht werden – moralisch, intellektuell oder faktisch. Genau darum soll es hier gehen: um eine Aussage des amtierenden Stammapostels der Neuapostolischen Kirche (NAK), Jean-Luc Schneider, die mehr enthält, als sie auf den ersten Blick preisgibt.
„Gott wird uns niemals verlassen und uns niemals aufgeben: Er bleibt bei uns. Das kann ich garantieren. Doch inwieweit wir diese Gegenwart Gottes erleben und erfahren können, hängt nicht von Gott, sondern von uns ab. Gott will sehen, wie wichtig uns die Gemeinschaft mit ihm ist."
Was hier in frommem Gewand daherkommt, ist bei näherer Betrachtung ein vielschichtiges Geflecht aus rhetorischer Immunisierung, emotionaler Umkehrlogik und epistemischer Anmaßung. Drei Aspekte verdienen besondere Beachtung.
Der erste Teil der Aussage klingt tröstlich: Gott bleibt bei uns. Immer. Darauf gibt der Stammapostel sogar eine Garantie. Doch diese Garantie gilt nicht bedingungslos. Im zweiten Satz wird sie faktisch kassiert. Ob man Gottes Nähe spürt oder nicht, liegt demnach nicht an Gott, sondern am Menschen selbst. Wer Gott nicht erlebt, hat sich offensichtlich nicht genug Mühe gegeben. Wer in der Tiefe zweifelt oder sich verlassen fühlt, wird nicht etwa getröstet, sondern subtil für sein Erleben verantwortlich gemacht.
So wird aus einer vermeintlichen Sicherheit ein rhetorischer Bumerang: Die Garantie ist nur dann gültig, wenn man sie nicht braucht. Es ist das religiöse Äquivalent zur zehnjährigen Autogarantie unter der Bedingung, dass das Fahrzeug eingemottet in der Garage bleibt. Der Begriff „Garantie“ wird so seiner Bedeutung entleert. Was bleibt, ist ein Sprachspiel mit pastoralem Anstrich.
Wer in Not ist, sucht Trost. Wer glaubt, sucht Halt. Schneiders Aussage jedoch koppelt die Erfahrung von Gottes Nähe an eine Bedingung: an die eigene Anstrengung, die eigene Haltung, das eigene Verhalten. Das Resultat ist eine subtile Schuldumkehr: Nicht die Abwesenheit Gottes wird hinterfragt, sondern das Verhalten des Gläubigen. Wer sich verlassen fühlt, ist selbst schuld.
Das ist nicht nur theologisch fragwürdig, sondern psychologisch fatal. Denn wer in einer existenziellen Krise steckt und spirituelle Leere empfindet, braucht keine Ermahnung, sondern ehrliche Begleitung. Wer stattdessen implizit hört:
„Gott ist da – Du bist es, der sich abgewandt hat“,
wird doppelt belastet. Die religiöse Botschaft wird zur moralischen Zumutung.
Am schwerwiegendsten jedoch ist der dritte Aspekt: der Anspruch, für etwas garantieren zu können, das man nicht wissen kann. Jean-Luc Schneider kann nicht wissen, ob es einen Gott gibt, der niemals verlässt. Er kann nicht wissen, wie dieser Gott handelt, empfindet oder sich zeigt. Er kann allenfalls glauben, hoffen oder vermuten. Und selbst das basiert auf Überlieferung, Interpretation und kirchlicher Dogmatik – nicht auf gesichertem Wissen.
Wenn Schneider dennoch sagt: „Ich kann garantieren“, dann überschreitet er die Grenze zwischen Glaube und Wissen. Er simuliert epistemische Gewissheit, wo nur religiöse Behauptung steht. Das ist kein Ausdruck von Glaubensstärke, sondern von intellektueller Unredlichkeit. Es ist ein Versuch, mit der Autorität des Amtes jene Lücke zu überbrücken, die sich zwischen frommer Rede und faktischer Ungewissheit auftut.
Jean-Luc Schneiders Garantie ist keine. Sie ist ein rhetorisches Konstrukt, das sich selbst entzieht, sobald es in Anspruch genommen wird. Sie ist ein Trostversuch, der in Schuldzuweisung mündet. Und sie ist eine Glaubensaussage, die sich unredlicherweise als Wissensurteil geriert. All das geschieht im Namen eines Amtes, das sich – innerhalb der NAK – als letzte Instanz zwischen Mensch und Gott versteht.