Wir bringen Licht ins Dunkel
Wir bringen Licht ins Dunkel 

die neue Lesart des Evangeliums

Zwischen Selbstkritik und Imagepflege

„Liebe misst sich nicht an Reichweite, sondern an echter Nachfolge.“

(Simon Heiniger, nac.today, 3. November 2025)

 

Was auf den ersten Blick wie ein spiritueller Weckruf klingt, offenbart bei genauerem Hinsehen ein bemerkenswertes Signal: Die Neuapostolische Kirche (NAK) scheint ihre offizielle Rhetorik in eine neue Richtung zu lenken – oder sie testet zumindest vorsichtig die Sprache eines künftigen Kurses, den der designierte Stammapostel Helge Mutschler verantworten dürfte.

 

Denn was Pressesprecher Simon Heiniger in seinem jüngsten nac.today-Beitrag formuliert, ist nicht nur ein religiöser Essay über den „unbequemen Jesus“, sondern auch ein kircheninternes Positionspapier – verkleidet als Andacht:

1. Der Text als Symptom: Vom Wohlfühl-evangelium zur Rückkehr des Leidens

Schon die Einleitung setzt den Ton: Heiniger kontrastiert ein „Wohlstands-Evangelium“ mit dem „unbequemen Jesus“ – eine rhetorische Strategie, die in evangelikalen und katholischen Kontexten längst als moralisches Korrektiv etabliert ist.

 

Doch im NAK-Kontext ist das neu. Jahrzehntelang inszenierte man Glaube und Nachfolge als harmonisches Erfolgsnarrativ: „Segen folgt Gehorsam“, „Treue bringt Heil“. Nun klingt es plötzlich, als sei „Erfolg“ selbst verdächtig geworden.

 

Diese Verschiebung ist beachtlich. Sie deutet auf ein wachsendes Bewusstsein für das eigene Glaubwürdigkeitsproblem hin: Die NAK kämpft mit Mitgliederschwund, Altersstruktur und dem Verdacht einer glatten Markenreligion – perfekt organisiert, aber innerlich leer.

 

Heiniger wählt daher den gefährlichsten Gegner, den es für eine Institution gibt: das eigene System der Selbstinszenierung.

 

Wenn er schreibt, „Aus Missions-Eifer wird Markenlogik“, dann trifft das exakt den Kern der heutigen NAK-Kommunikation – inklusive der von ihm als so quasi NAK-Verlautbarer-Boss selbst verantworteten Plattform nac.today.

 

Dass dieser Satz ausgerechnet dort erscheint, wirkt fast subversiv.

2. Die Jesus-Figur als moralische Projektionsfläche

Die rhetorische Leitfigur des Beitrags ist ein „unbequemer Jesus“, der konsequent gegen Komfort, Imagepflege und Selbstoptimierung positioniert wird. Heiniger schreibt:

 

„Das Kreuz ist zuerst kein Anhänger, sondern ein Anliegen. Es reibt, stört, stellt Prioritäten auf den Kopf.“

 

Diese Sprache ist deutlich emotionaler und symbolisch dichter als das gewohnte NAK-Vokabular, das sonst in Appellformeln („Bleibt standhaft!“, „Vertraut dem Apostelwort!“) erstarrt.

 

Hier geht es nicht mehr um Unterordnung, sondern um eine ethische Herausforderung – „Nachfolge trotz Gegenwind“.

 

Doch bemerkenswert ist, was fehlt: Die kirchliche Mittlerrolle.

 

Weder Apostel noch Sakramente noch „göttliche Ordnung“ werden erwähnt. Stattdessen steht das Individuum im Fokus – ein deutlicher Bruch mit der bisherigen Hierarchie- und Amtszentrierung.

 

Diese Entsakralisierung des Amtes zugunsten einer ethisch-existenziellen Nachfolge klingt verdächtig nach dem Stil Helge Mutschlers, der seit Jahren versucht, eine akademisch legitimierte, intellektuell anschlussfähige Theologiesprache (die ihm auch die frühere NAK-Kritikerin Esther Vietz vor Kurzem bescheinigte) in die NAK einzuführen.

 

Heinigers Text wirkt in dieser Hinsicht wie eine rhetorische Vorhut.

3. Biblische Zitate ohne Kontext                    – ein altes Spiel in neuer Verpackung

Was allerdings bleibt, ist die selektive Verwendung biblischer Belegstellen – allerdings in raffinierterer Form. - Heiniger zitiert zwar fleißig (Lk 2,34; Mk 8,34; Joh 15,18 ff. etc.), aber ohne den Kontext abzubilden.

Damit reiht er sich in die lange kirchliche Tradition ein, Bibelverse als Steinbruch zu nutzen, um die eigene Argumentation zu zementieren.

 

Die Leserschaft wird kaum die Mühe aufbringen, die Stellen nachzuschlagen. Das weiß Heiniger, und er kalkuliert es ein. – Die Bibel fungiert hier nicht als zu prüfende Quelle, sondern als rhetorisches Echolot: Ihre Erwähnung soll Tiefe suggerieren, nicht Erkenntnis erzeugen.

 

Epistemologisch betrachtet ist das ein klassischer Autoritäts-Trick: Die Textreferenz ersetzt den Diskurs. Der Effekt:

 

Der Anschein von Bibeltreue bleibt, während die Theologie sich bereits verschoben hat.

4. Die unterschwellige Selbstkritik:         Kirche als „Wohlfühlpaket“

Heiniger schreibt: „Kirche muss attraktiv werden.“ – Durch veränderte Sprache wird dem Gläubigen suggeriert, er könne Segen aktivieren. Das ist fast schon ein Eingeständnis institutioneller Erschöpfung.

 

Hier kritisiert ein offizieller NAK-Kommunikator genau das, was die NAK in den letzten Jahren massiv betrieben hat: die Ästhetisierung der Mission:

Perfekt choreografierte Gottesdienste, emotionsgesteuerte Musik, wohlformulierte Andachtsartikel – alles dient dem Bild einer modernen, warmen, einladenden Kirche.

 

Heiniger stellt sich nun gegen diese Ästhetik – freilich in einem Text, der selbst genau dieses System bedient. - Das ist der eigentliche Widerspruch:

 

Der Artikel, der „Authentizität“ fordert, ist selbst ein Produkt kirchlicher Imagepflege.

5. Zwischen Helge Mutschler und Jean-Luc Schneider: das doppelte Publikum

Die Zielrichtung des Beitrags wirkt strategisch doppelt codiert.

  • Für die konservative Basis soll der Text Trost und Mahnung sein – „Bleibt treu trotz Leiden“.
  • Für das intellektuellere Publikum, das sich von plumper Heilsrhetorik abwendet, signalisiert er einen Aufbruch: „Wir wissen, dass die alten Erfolgsparolen nicht mehr tragen.“

Damit wird Heinigers Text zu einem Kommunikationshybrid, der zwei Gruppen zugleich anspricht:
die traditionellen Frommen – und jene, die Mutschler für seine akademisch reformierte NAK gewinnen möchte.

 

Dass er dabei das Kreuz als „Durchgang“ (nicht als Endstation) bezeichnet, ist theologisch subtil – und psychologisch klug:

 

Das Leiden wird spiritualisiert, aber in ein positives Narrativ überführt. Schmerz wird zum Beweis der Echtheit.  -  So hält man den Glauben attraktiv, ohne die Autorität des kirchlichen Systems offen infrage zu stellen.

6. Fazit: Theologische Kosmetik oder beginnende Kurskorrektur?

Heinigers Beitrag ist kein revolutionäres Dokument – aber ein deutliches Symptom:

 

Er zeigt, dass die NAK-Führung ihre Sprache umstellt: weg von triumphalistischer Erfolgstheologie, hin zu einem ethisch-narrativen Christentum, das mehr nach „Gewissen“ als nach „Gehorsam“ klingt.

 

Doch die theologische Grundspannung bleibt:

 

Die NAK kann kein Kreuz predigen, ohne zugleich die Struktur zu legitimieren, die über das Kreuz triumphiert hat.

 

Solange das Apostelamt qua Glaubensbekenntnis unfehlbare Deutungshoheit beansprucht, bleibt jeder Appell zur „unbequemen Nachfolge“ eine gut verpackte Paradoxie.

Ich fasse zusammen:

Der Beitrag „Warum Jesus unbequem bleibt“ markiert eine rhetorische Zäsur im Kommunikationsstil der Neuapostolischen Kirche.

 

Simon Heiniger inszeniert sich als Prophet einer neuen Ernsthaftigkeit – tatsächlich aber spiegelt sein Text die beginnende Selbstkorrektur einer überästhetisierten Religionsmarke, die um intellektuelle Glaubwürdigkeit ringt.

 

Dass dahinter bereits der Einfluss Helge Mutschlers zu spüren ist, darf man getrost annehmen.

 

Denn was hier als „Kreuzestheologie“ verkauft wird, ist nichts anderes als die Vorbereitung einer neuen, akademisch maskierten NAK-Spiritualität – schlichter im Ton, aber strategischer in der Wirkung.

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letzte Updates:

05. November 2025

NAKI-Pressesprecher Simon Heiniger entdeckt plötzlich den „unbequemen Jesus“ und klingt, als wolle er sich selbst widerlegen. - Ausgerechnet er, der nac.today als Hochglanzportal der apostolischen Wohlfühlrhetorik verkauft hat, warnt jetzt vor „Markenlogik“ und „Wohlfühlevangelium“.
Man kann sicher sein: Der Schatten von Helge Mutschler, dem designierten Stammapostel, fällt bereits auf die Redaktion. Und Heinigers Text erklärt auch den gestrigen Beitrag zum Mysterium der wartenden Jesusgestalt...
Jedenfalls klingt dieses neue Evangelium akademischer, leidvoller – und gefährlich authentisch:

04. Nov. 2025

31. Okt. 2025

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Auf "Null gesetzt"
am 01.01.2025

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