Es ist ein Segen für alle besorgten werdenden Mütter, dass es eine
Möglichkeit gibt, ohne Gefahr für den Embryo zu untersuchen, ob möglicherweise bei der Leibesfrucht Trisomie-21 vorliegt. – Es ist ein Fluch für alle besorgten Mütter, dass es in Deutschland
evangelikale Sektierer gibt, die geifernd gegen die Markteinführung dieser Untersuchungsmöglichkeit protestieren…
Und nun reiben sich diese geifernden Hallelujah-Freaks die Hände und freuen sich:
„PraenaTest“, der umstrittene vorgeburtliche Bluttest auf das Down-Syndrom, kommt später als geplant auf den Markt, weil der Konstanzer Hersteller LifeCodexx das abschließende Gespräch mit dem Regierungspräsidium Freiburg Anfang kommende Woche für die formale Freigabe des PraenaTests durch das Präsidium abwarte. Dies jedenfalls teilte das Unternehmen am Samstag der Nachrichtenagentur dpa mit. – Ein Etappensieg der Evangelikalen?
Trisomie 21, die nach John Langdon-Down [Bild rechts], der diese Genom-Mutation erstmals 1866 beschrieb, auch Down-Syndrom genannte Abweichung vom regulären Zellteilungsprozess, ist keine moderne Erscheinung. Die Tübinger Humanbiologen Alfred Czarnetzki, Nikolaus Blin und Carsten M. Pusch wiesen am Skelett einer Frau, die vor rund 2550 Jahren bei Tauberbischofsheim im Alter von 18 bis 20 Jahren verstorben war die typischen Symptome nach. Also hat es wohl bereits Mitte des 6. Jahrhunderts v.Z. Menschen mit Down-Syndrom gegeben, auch wenn Langdon-Down diese Normabweichung erst 1866 wissenschaftlich als eigenständiges, von anderen Erkrankungen und Behinderungen abgrenzbares Syndrom beschrieb.
Er nannte das Down-Syndrom übrigens wegen der rundlichen Gesichtsform und der mandelförmigen Augen seiner Träger, mongoloide Idiotie. Wobei Idiotie seinerzeit ein medizinisch-psychologischer Fachbegriff für alle Menschen mit schweren geistigen Beeinträchtigungen war.
Dank der modernen Wissenschaft (die Wissen geschaffen hat) weiß man, dass es sich beim Down-Syndrom um eine während des Zellteilungsprozesses entstehende Genommutation handelt, bei dem das gesamte 21. Chromosom oder Teile davon dreifach vorliegen (Trisomie). Die heute übliche Bezeichnung lautet daher Trisomie 21.
Es gab also schon zu allen Zeiten Menschen mit Down-Syndrom, sie wurden aber den Augen der Öffentlichkeit entzogen und standen deswegen seltener im Focus? – Ganz so ist es nicht. Es gibt nämlich mittlerweile Untersuchungen, die nachweisen, dass generell Schädigungen von Eizellen, sei es durch äußere Einflüsse wie Strahlung oder durch den natürlichen Vorgang des Alterns, die Fehlerhäufigkeit während der Zellteilung steigern. – Anders ausgedrückt: Mit zunehmendem Alter der Mutter (und damit ihrer Eizellen), aber auch des Vaters, steigt die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines Kindes mit Trisomie 21. – Die Statistik weist einen Fall von Trisomie 21 bei ...
… nach. Und damit sind wir bei einem Problem unserer Zivilisation: Die Zahl der überalterten Gebärenden steigt – und damit steigt zwangsläufig auch die Zahl der Kinder mit Down-Syndrom.
Ohne jetzt auf die generelle Problematik und die Sorgen oder auch auf den generellen Segen und die Freude bei Erziehung, Ausbildung und Versorgung von Menschen mit Down-Syndrom eingehen zu wollen, sogar ohne auf das erhöhte Risiko für Menschen mit Trisomie-21, bestimmte Erkrankungen zu bekommen (z.B. erhöhtes Leukämierisiko im Kindesalter, oder eine bis zu 10-fachen erhöhte Wahrscheinlichkeit eine Form der Epilepsie zu entwickeln) müssen wir den Müttern zugestehen, dass sie gute Gründe haben können, ein Kind mit Trisomie-21 nicht auszutragen und auf die Welt zu bringen. Und deshalb ist es das Recht der Mütter, frühzeitig zu erfahren, ob ihre Leibesfrucht sich normal entwickelt, oder ob es sich um einen Embryo mit Down-Syndrom handelt. – Die aus dem Wissen resultierende Gewissensentscheidung für oder gegen das Baby kann ihr niemand abnehmen. Es ist alleine Sache der Mutter (okay... unter Einbezugnahme der Meinung des Vaters), wenn sie das Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom auf die Welt zu bringen, nicht eingehen möchte. – Und zu dieser Entscheidungsfindung steht ihr jede medizinisch denkbare Hilfe zu!
Eine erste medizinische Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Trisomie-21 zu erkennen, war der Nachweis einiger pränataler Besonderheiten, wie z.B. ein vergleichsweise kleiner Kopf (Mikrozephalie/Babys mit Down-Syndrom haben einen durchschnittlich drei Prozent kleineren Kopf als Regelbabys, ihr Gehirn ist kleiner und eher kugelig geformt, ein vergleichsweise großer Augenabstand (Hypertelorismus), ein vergleichsweise kurzer Oberschenkelknochen (Femur), ein vergleichsweise kurzer Oberarmknochen (Humerus),… Insgesamt gibt es 17 derartiger Anzeichen, die aber, selbst wenn mehrere davon oder gar alle nachweisbar sind, keine sichere Diagnosemöglichkeit bieten – es kann allenfalls von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für ein Vorliegen des Down-Syndrom beim Baby gesprochen werden.
Eine eindeutige Diagnose war bisher ausschließlich durch eine Untersuchung der Chromosomen selbst möglich, die üblicherweise durch Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie [siehe Bild oben rechts], seltener durch Nabelschnurpunktion (Cordozentese) gewonnen werden. Dabei handelt es sich jedoch um invasive Methoden, die mit einem Risiko für eingriffsbedingte Fehlgeburten verbunden sind.
Und damit kommen wir zum durch zumeist religiös motivierte Stimmen kontrovers diskutierten PraenaTest der LifeCodexx AG: Mit Hilfe einer Sequenzierung der DNA kann der pränatale Diagnostiktest von LifeCodexx die im Blut einer schwangeren Frau enthaltenen Teile der Erbinformation des Ungeborenen (DNA-Fragmente) analysieren und eine Trisomie 21 zuverlässig ausschließen oder bestätigen.
Wenn also das Ersttrimesterscreening einen auffälligen Befund ergibt und eine Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 berechnet wird, bringt der molekulargenetische Diagnostiktest der LifeCodexx AG Klarheit. - Und das ohne die möglichen Risiken eines invasiven Eingriffs. Detailinformationen zu dieser Diagnostikmöglichkeit finden Sie auf der Webseite des Herstellers unter:
http://lifecodexx.com/lifecodexx-praenatest.html
Ich bleibe dabei: Die Untersuchungsmöglichkeit durch den PraenaTest ist ein Segen. – Jede werdende Mutter ist besorgt um die Leibesfrucht, und sie wird deshalb alle Routineuntersuchungen durchführen lassen. Ergeben die Routineuntersuchungen einen auffälligen Befund, wird eine Mutter Gewissheit haben wollen – ganz gewiss will sie das, wenn ihre Lebensumstände es als schwierig bis unmöglich erscheinen lassen, ein Problemkind zu erziehen. Und sie wird sich nicht leichtfertig für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Aufgabe einer begleitenden Seelsorge könnte sein, einer werdenden Mutter in dem Fall, dass bei ihrer Leibesfrucht Trisomie-21 vorliegt, alle Möglichkeiten aufzuzeigen, die unsere Gesellschaft an Unterstützung bietet. Und es könnte Aufgabe einer begleitenden Seelsorge sein, bei der Auswahl des Arztes zu helfen, der die angenehmsten Rahmenbedingungen für einen Schwangerschaftsabbruch bietet…
Auf jeden Fall sollte die Seelsorge sich freuen, dass es für Frauen einen einfachen und zuverlässigen Weg zu einer sicheren Diagnose gibt. Ganz sicher würden ohne derartige Nachweisverfahren wesentlich mehr Abtreibungen durchgeführt. Gäbe es nämlich nach dem Screening einen auffälligen Befund ohne jedwede Möglichkeit einer Verifikation, würden bereits viele Abtreibungen auf Verdacht durchgeführt. Und da, wie ich oben geschrieben habe eine Mutter immer Gewissheit haben will, würde sie zur Bestätigung des Verdacht-Befundes auf jeden Fall eine Amniozentese [Bild rechts] oder Chorionzottenbiopsie oder Cordozentese durchführen lassen, wenn sie das Risiko der Geburt eines Kindes mit Down-Syndron scheut. Die Behauptung der Gegner des PraenaTest, eine für Mutter und Kind gefahrlose Untersuchung würde dazu führen, dass ohne jede Notwendigkeit eine Art Behinderten-Screening durchgeführt werden würde, dem eine Unzahl von Babies zum Opfer fielen zeigt nur, dass Müttern um jeden Preis und mit absolut hanebüchenen Argumenten eine fundamental-religiöse Auffassung aufgezwungen werden soll!
Wenn der PraenaTest ein positives Ergebnis bringt, sind zuvor auch schon im Ersttrimesterscreening verdächtige Befunde erhoben worden. Würde er ohne Ersttrimesterscreening durchgeführt, wäre er deshalb auch nicht falsch-positiv. – Es wird garantiert kein Schwangerschaftsabbruch ohne ernsthaft vorliegenden Grund und ohne von der Mutter sorgfältig abgewogene Entscheidung vorgenommen werden. Nichts, aber auch gar nichts spricht für die Horrorszenarien, die von den Lebensrechtsgruppen und den in ihrem Sinne urteilenden Gutachtern an die Wand gemalt werden.
Und damit sind wir bei den evangelikalen Sektierern, die unbedingt verhindern möchten, dass der PraenaTest auf den Markt kommt. Einer der ersten, der öffentlich in die Welt posaunte, dass es durch PraenaTest zu einer vorgeburtlichen „Rasterfahndung“ nach behinderten Kindern käme, deren Tötung im Mutterleib ein schweres Menschenrechtsvergehen sei, war übrigens bezeichnenderweise Hartmut Steeb, der Vorsitzende des Treffens Christlicher Lebensrechts-Gruppen (TCLG) und Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz. Er kritisiert in diesem Zusammenhang auch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der die Meinung vertritt, dass das Verfahren der Firma LifeCodexx nicht verboten werden könne, weil diese „Gewissensentscheidung“ der betroffenen Frau überlassen werden müsse.
Unterstützt wird Steeb bei seiner falschen Ansicht durch Äußerungen des Vorsitzenden der Juristenvereinigung, dem Richter a.D. Bernward Büchner [Bild oben links (Detailinformation zur Person siehe hier: http://www.alfa-ev.de/fileadmin/user_upload/Lebensforum/2006/lf_0406-5-interview-buechner.pdf)].
Und Büchner stellt gleich die Gewissensfreiheit der Mutter in Frage, da das Bundesverfassungsgericht festgelegt habe, dass die Gewissensfreiheit am Lebensrecht eines anderen Menschen seine Grenze finde. Büchner wörtlich:
„Seine Schutzpflicht für das menschliche Leben und das grundrechtliche Verbot der Diskriminierung Behinderter gebieten es dem Staat, die Anwendung eines vorgeburtlichen Bluttestes zu verhindern, der allein dem Zweck dient, noch nicht geborene Menschen wegen einer festgestellten Behinderung zu töten. Eine angebliche Gewissensentscheidung der Frau kann den Staat von dieser Pflicht selbstverständlich nicht entbinden.“
Diese Argumentation jedenfalls ist so fadenscheinig, dass man im Grunde genommen kein Wort darüber verlieren muss. Wenn Büchners Ansicht (welcher Religionsgemeinschaft gehört der Freiburger eigentlich an???) unzweifelhaft richtig ist, warum wurde dann der § 218 StGB noch nicht wieder so verändert, dass j e d e erfolgte Abtreibung als Mord geahndet wird? Und die Behauptung, der Test diene einzig dem Zweck, nicht geborene Menschen wegen einer festgestellten Behinderung zu töten, kann eigentlich nur einem in irgendeiner Weise gewaschenen Gehirn entsprungen sein… - Denn es liegt doch auf der Hand, dass der Test dazu dient, dass nicht geborene Menschen, die keine festgestellte Behinderung haben, auf jeden Fall am Leben bleiben. – Und darüber hinaus gibt er der Mutter die Sicherheit der Diagnose und Zeit, sich entweder auf ein Leben mit einem mongoloiden Kind einzustellen – oder sich dagegen zu entscheiden.
Jedenfalls wird das Land Baden-Württemberg, Sitz des Herstellers und damit zuständig, den Test nach Angaben des Sozialministeriums nicht verbieten. Dafür seien die rechtlichen Voraussetzungen nach dem Gendiagnostikgesetz nicht gegeben. Und auch auf Bundesebene werden keine Störungen bei der Markteinführung zu erwarten sein, da der Test kein Arzneimittel ist, welches ein Zulassungsverfahren durchlaufen müsste.
Dieser Auffassung ist auch der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe [Bild rechts], der allerdings gefordert hat, die Bundesländer sollten den Test verbieten. Er gehört nämlich zu denen, die den Test für illegal halten. Er spricht von Diskriminierung, Selektion und einer "Rasterfahndung" nach Menschen mit Behinderungen. Er stützt sich dabei auf ein neues Rechtsgutachten der Universität Bonn, das er speziell zum neuen Blutest, den "PraenaTest" des Konstanzer Unternehmens "LifeCodexx", in Auftrag gegeben hat.
Laut dem online-Magazin STERN.de stimmt der Gutachter Klaus Ferdinand Gärditz Büchner zu. Für ihn sei der Test mit geltendem Recht nicht vereinbar - weder mit der Menschenwürde
noch mit Artikel 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", heißt es dort.
"Der Test ist eine existenzielle Benachteiligung", sagt Jurist Gärditz. Denn er suche ohne medizinischen Zweck wie zum
Beispiel einer Gefahr für Mutter und Kind nach einer bestimmten genetischen Abweichung. Der Staat müsse sich schützend vor solche Bestrebungen stellen.
Und Gärditz wischt alle Gegenargumente vom Tisch ohne sich auf eine sachliche Auseinandersetzung einzulassen. Für ihn ist der riskante Fruchtwassertest eine zumutbare
und rechtlich nicht angreifbare Untersuchung, da er nicht immer nur auf einen bestimmten Gendefekt teste, sondern auch therapeutische Zwecke habe. Bei Trisomie 21 sei das nicht der Fall, ein
Down-Syndrom beruhe auf einem Chromosomenfehler und sei nicht heilbar.
Eine merkwürdige Argumentation… Schon allein die Formulierung, der Fruchtwassertest sei nicht immer auf die Erkennung eines bestimmten Gendefekts ausgerichtet, lässt ahnen, dass der Jurist sich auf dünnem Eis bewegt. Und weiter: Wenn also die Mutter das Risiko einer Fehlgeburt in Kauf nimmt, ist es zulässig, dass sie abwägt, ob sie ein behindertes Kind großziehen kann, ob sie dafür u.U. ihren Job aufgeben kann, ob ihre Partnerschaft das aushält oder auf eine Zerreißprobe gestellt wird, ob sie, wenn sie alt ist, ihr erwachsenes Kind fremder Hilfe anvertrauen kann und muss? Nur nicht dann, wenn sie sich ohne Gefahr für sich und das Baby Gewissheit verschafft um dann die Folgen abzuwägen?
Aber auch dieses Argument interessiert Gärditz nicht. Im Gegenteil: Für ihn wird der Konflikt erst durch die Kenntnis über die Behinderung ausgelöst. Seiner Meinung nach wird ein ungeborenes Kind am besten durch Nichtwissen über Behinderungen geschützt.
Ein merkwürdiges Rechtsgutachten, welches einseitig die von Steeb und Konsorten vertretene Meinung stützt und jedes Recht einer werdenden Mutter vernachlässigt. Im Gegenteil, sogar die Auffassung vertritt, wenn sie denn schon Gewissheit haben wolle, dann solle eine Mutter eben den mit Gefahren für sie und das werdende Leben verbundenen Fruchtwassertest durchführen lassen. – Denn nichts anderes sagt der neutrale Rechtsgutachter in diesem Fall. – Und weil dieses Rechtsgutachten so merkwürdig ist, frage ich mich schon, wie neutral der Gutachter tatsächlich ist…
Wann immer nun die Markteinführung des PraenaTest startet, es bleibt zu wünschen, dass sich die Stimmen der Vernunft durchsetzen. z.B. die des Ärztepräsidenten Frank Ulrich Montgomery der den neuen Bluttest in der "Rheinischen Post" verteidigt hat: „Unsere Gesellschaft hat sich für Pränatal-Diagnostik entschieden. Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen.“
Niemand sollte aber auf Sprüche wie „Der Druck auf werdende Eltern wird wachsen. Wer ein Kind mit Down-Syndrom habe, kann vielleicht bald auch in eine ‚Rechtfertigungsschleife‘ geraten.“ – Und dieser Spruch kommt aus der Unions-Bundestagsfraktion… Deren Vorsitzender wer ist? Richtig: Volker Kauder [Bild oben rechts], ein bekennender Evangelikaler, der oft und gerne Gastredner bei Veranstaltungen der Deutschen Evangelischen Allianz (EAD) ist, so auch wieder bei der am 1. August beginnenden Allianzkonferenz in Bad Blankenburg. – Womit dann auch wieder der Kreis zu Hartmut Steeb hin geschlossen wurde.