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Auf dieser Seite finden Sie folgende Beiträge:

  • ·         28.05.2013 – (fcs) „Jesus versus Protagoras“ Ist christliche Nächstenliebe dem säkularen Humanismus überlegen?
  • ·         06.10.2012 - (fcs) „Darf Religion die Kunst beleidigen?“ Proteste aus religiösen Kreisen führen zum Abbruch einer Theateraufführung
  • ·         21.06.2012 – (fcs) „Straftatbestand Blasphemie?“ Martin Mosebachs geistige Blähungen
  • ·         07.06.2012 - (fcs) „Marx: ‚Dynamik der Veränderung‘ aus Evangelium“ „Kardinal betont positiven Einfluss des Christentums auf die Entwicklung der Gesellschaft“

28.05.2013 – (fcs)

Jesus versus Protagoras

Ist christliche Nächstenliebe dem säkularen Humanismus überlegen?

Machen wir zunächst ein wenig Werbung für ein erzreaktionäres Katholikenmedium. Für eine Website, die unverzichtbar für jeden ist, der Hintergrundinformationen über die katholische Religionslehre sucht, oder der sich über die Ansichten von streng konservativen katholischen Christen informieren will…

 

Kathnews über Kathnews: (Zitat) „Kathnews ist ein katholisches Nachrichtenportal, das über aktuelle Geschehnisse in der Kirche berichtet und Entwicklungen in Politik und Gesellschaft aus einem katholischen Blickwinkel betrachtet. Das Nachrichtenportal ist unabhängig von kirchlichen Strukturen und eine private Initiative in Trägerschaft des Fördervereins Kathnews e.V. Die Kathnews-Redaktion fühlt sich in besonderer Weise dem Heiligen Vater, dem Lehramt der Kirche und ihrer Tradition verpflichtet.

Neben aktuellen Nachrichten sollen auch detaillierte Hintergrund-Berichte und persönliche Kommentare der Redakteure dazu beitragen, dass der Leser sich ein möglichst umfassendes Bild von einem dargestellten Sachverhalt machen kann. […]“ (Zitatende)

Quelle: http://www.kathnews.de/ueber-uns

Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt

Einer dieser Redakteure (übrigens neben der sattsam bekannten Felizitas Küble) ist der Fachberater Kirchenrecht, Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt. [Bild rechts (Detailinformationen zu diesem Theologen hier:

http://geroweishaupt.com/curriculum-vitae/)]

 

Und dieser Dr. Weishaupt hat am 27. Mai 2013 um 11:23 Uhr einen Artikel über die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ auf Kathnews erstellt. Diese Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute ist ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie wurde auf dem Konzil selbst erarbeitet und am letzten Sitzungstag, dem 7. Dezember 1965, verabschiedet:
(http://www.kathnews.de/gaudium-et-spes-artikel-27)

 

In seiner Einleitung zu diesem Kathnews-Beitrag schreibt Weishaupt:

 

(Zitat) „Die Achtung der menschlichen Person liegt in dessen Würde begründet. Darum soll der Mensch den anderen als ein ‚anderes Ich‘ ansehen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, er lebt nie für sich alleine, sondern ist an die anderen gebunden, die irgendwie zum eigenen Ich gehören. Darum kann das eigene Ich ohne den anderen nicht leben und sich nicht entfalten. Daraus folgern die Imperative des sozialen Verhaltens. Die Regeln des sozialen Lebens tragen bei zur Verwirklichung des eigenen Ich. Darum entwürdigt ein im Letzten dem widersprechendes Verhalten ‚weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden‘. […]“ (Zitatende)

 

Bis zu diesem Punkt wird kaum ein säkularer Humanist widersprechen, er würde es aber wahrscheinlich allgemeinverständlicher formulieren:

 

Das Glück und Wohlergehen des einzelnen Menschen und der Gesellschaft bilden den höchsten Wert, an dem sich jedes Handeln orientieren soll.

  • Die Würde des Menschen, seine Persönlichkeit und sein Leben müssen respektiert werden.
  • Der Mensch hat die Fähigkeit, sich zu bilden und weiterzuentwickeln.
  • Die schöpferischen Kräfte des Menschen sollen sich entfalten können.
  • Die menschliche Gesellschaft soll in einer fortschreitenden Höherentwicklung die Würde und Freiheit des einzelnen Menschen gewährleisten.

Die Humanität ist die praktische Umsetzung der Ideen des Humanismus. Dazu gehören die Güte, die Freundlichkeit und das Mitgefühl für die Schwächen der Menschen, seiner selbst inne und mächtig zu werden und sich im Mitmenschen selbst wiederzufinden.

 

[vgl. dazu: Förster, Wolfgang: Humanismus. In: Hans J. Sandkühler et al. (Hrsg.): Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Band 2; 1997, Meiner Verlag, Hamburg,  ISBN: 978-3787310784]

Heraklit (griechischer Philosoph, * um 540 v. Chr., † um 480 v. Chr.)

Insbesondere decken sich Weishaupts Ausführungen mit den Worten Heraklits [Bild links], einem der „Väter des antiken Humanismus“: „[…] ‚Aus Allem Eins und aus Einem Alles‘ (= Der Mensch kann die Einheit in der Vielfalt und die Vielfalt in der Einheit erkennen und sich selbst als Teil einer Ganzheit begreifen) […]“

 

[vgl. dazu: Wilhelm Capelle: „Die Vorsokratiker“; 9. Aufl. 2008, Kröner, Stuttgart, ISBN 978-3520119094]

 

Weiter im Text behauptet Weishaupt, christliche Nächstenliebe gehe aber über bloßes soziales Engagement hinaus und beruft sich dabei auf einen der Mitarbeiter beim Zweiten Vatikanischen Konzil, Otto Semmelroth SJ (*01. 12.1912 † 24.09.1979, Professor für Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen):

 

(Zitat) „[…] ‚Es gehört zu wenig zum Allgemeinbewußtsein der Gläubigen, wie sehr christliche Nächstenliebe am schöpferischen Wesen der Liebe Gottes zu uns Menschen teilnimmt.
Gottes Liebe wendet sich ja nicht den Menschen zu, weil sie vor ihm liebenswürdig sind, sondern die Menschen werden erst dadurch liebenswürdig vor Gott, daß Gott sich ihnen liebend zuwendet. Gottes Liebe ist schlechterdings spontan und schöpferisch. Er schafft sich durch seine liebende Hinwendung in Schöpfung und Gnade die Partner seiner Liebe. Gerade darin müßte sich christliche Nächstenliebe über allen bloßen Humanismus erheben …‘ […]“
(Zitatende)

 

[vgl. dazu: Otto Semmelroth, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Zusatzband 3; 1986 Herder, Freiburg, ISBN 978-3451220128]

Prof. Semmelroth (re,) mitz seinen Kollegen Tills und Rahner

Und ab hier wird’s abstrus… Semmelroth (und ihm folgend auch Weishaupt) sprechen ja nicht von der Idee eines möglicherweise existierenden Gottes. Gäbe es diesen einen Schöpfergott, was in Wahrheit ja nicht auszuschließen ist, so müsste dieser, dem Gedanken, dass jeglicher Schöpfungsakt aus Liebe entsteht, entsprechend tatsächlich ein liebender Gott sein.

Es geht in diesem Text aber um den von den Christen angebeteten Gott, der in der Bibel überliefert ist und von dem wir aus den Überlieferungen wissen, dass er nichts weniger ist, als ein Gott der Liebe!

 

Allerdings wissen wir von diesem Gott auch, dass er sich niemals bezeugt hat, sondern dass lediglich von nicht beteiligten Dritten behauptet wird, dieser Gott habe sich jemandem gezeigt. Forschen wir aber nach denjenigen, denen dieser Gott sich angeblich gezeigt haben soll, so laufen wir ins Leere. Die jüdischen Patriarchen haben nämlich nie existiert, es sind fiktive Personen, die Berichte über sie wurden uralten Mythen verschiedener Urzeitmenschenclans entlehnt… Märchen, die seit der frühen Steinzeit an den Lagerfeuern weitererzählt wurden.

 

[vgl. dazu: Richard Elliot Friedman, „Wer schrieb die Bibel? So entstand das alte Testament“, deutsche Ausgabe 2007, Anaconda, Köln, ISBN 978-3866471443]

 

Spricht Semmelroth aber von einem hypothetischen Gott, darf er auch lediglich von einer möglichen christlichen Nächstenliebe sprechen, und nicht behaupten, es gäbe diese…

Eine bloß mögliche Nächstenliebe kann dem säkularen Humanismus aber nicht überlegen sein. Und das bedeutet, dass die christliche Nächstenliebe lediglich eine religiös gefärbte Ausformung eines allgemeinen Humanismus ist.

 

Ein weiterer Blick auf die frühen Vertreter einer humanistischen Weltanschauung:

Protagoras (griechischer Philosoph, * um 490 v. Chr.; † um 411 v. Chr.)

Protagoras [Bild links] sagte zu diesem Thema:

„[…] Was die Götter angeht, so ist es mir unmöglich, zu wissen, ob sie existieren oder nicht, noch, was ihre Gestalt sei. Die Kräfte, die mich hindern, es zu wissen, sind zahlreich, und auch die Frage ist verworren und das menschliche Leben kurz. […]“

 

Und folgerichtig formulierte er in seinem homo-mensura-Satz:

„Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, dass sie sind, der nichtseienden, dass sie nicht sind.“ (=Es gibt keine moralischen oder gesetzlichen Absolutheiten, und der Mensch als schöpferisches Wesen ist die höchste Autorität im Universum, und nichts Transzendentes ist die Quelle und das Maß von Gerechtigkeit)

 

[mehr Detailinformation dazu:

  • Wilhelm Capelle „Die Vorsokratiker“; 9. Aufl. 2008, Kröner, Stuttgart, ISBN 978-3520119094
  • Thomas A. Szlezák „Was Europa den Griechen verdankt“; 2010 UTB, Stuttgart, ISBN: 978-3825233945
  • Hermann Diels, Walther Kranz (Hrsg.) „Fragmente der Vorsokratiker“; 1957 Rowohlt, Berlin, ASIN: B0000BHEYM]

Ganz ohne jeden Gottesbezug, und lange bevor der Gedanke der christlichen Nächstenliebe formuliert wurde, kamen antike griechische Philosophen auf die gleichen Gedanken. Und man darf sich durchaus fragen:

 

Welche Idee war wohl zuerst da? - Auf diese Frage kommen wir noch einmal zurück…
Warum soll die Hinwendung zum Nächsten wertvoller sein, wenn es dazu einen Gottesbezug braucht?  - Und diese Frage versucht Weishaupt zu beantworten:

 

(Zitat) „[…] Christliche Nächstenliebe wird immer getragen von der Schöpferliebe und der Gnade Gottes. Diese reinigt sie von jedem Egoismus, der ihr als Folge der Erbsünde anhaften kann. Wahre christliche Nächstenliebe verwirklicht sich darum nur in Einheit mit Christus. Diese aber ist uns in und mit der Kirche, die uns ihn in Wort und Sakrament vermittelt und vergegenwärtigt, verbürgt. Die Konzilsväter weisen in Artikel 27 von Gaudium et spes auf konkrete Anwendungsbereiche, in denen christliche Nächstenliebe sich verwirklichen muss, ohne freilich Vollständigkeit zu beanspruchen. Das tun sie, indem sie konkrete Beispiele sowohl der Achtung als auch der Verletzung der menschlichen Würde zur Sprache bringen. […]“ (Zitatende)


Also ohne „Schöpferliebe und Gnade Gottes“(??) ist fürsorgende und helfende Hinwendung zum Nächsten egoistisch?? Und dieser Egoismus rührt von einer Erbsünde die ausschließlich durch einen Gottesbezug beseitigt werden kann?

Ganz so einfach wie Weishaupt will ich es mir nicht machen, aber dennoch werde ich hier keine Vorlesung zum kategorischen Imperativ starten. Stattdessen hier die Empfehlung einer 5-teiligen Sendereihe des Bayerischen Rundfunks, die Kants kategorischen Imperativ auch für Anfänger in leicht verständlicher Form vermittelt:

 

http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/kant-fuer-anfaenger/der-kategorische-imperativ/index.html

 

Ich selbst werde mich hier lediglich auf zwei kleine Begriffsbestimmungen beschränken, die sich aus Kants Definition „Pflicht ist die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz“ (http://www.korpora.org/Kant/aa04/400.html) ergeben.

 

Der Pflichtbegriff:Kant stellt klar, dass unsere Vernunft in der Lage ist, das Sittengesetz zu erkennen. Wenn ein Mensch also aus Pflicht handelt, handelt er aus Achtung für das Gesetz. Nicht Freude, Genugtuung, innere Befriedigung,  Abwendung von Übeln oder ähnliches sollen das Motiv zur Handlung sein, sondern lediglich die Pflicht. Sagt mir mein Gewissen, dass ich auf eine bestimmte Art und Weise zu handeln habe, dann ist es meine Pflicht, so zu handeln. Wichtig für die Bewertung der Moralität meines Handelns ist allerdings, dass ich nicht nur pflichtgemäß handele, sondern dass ich durch die Achtung vor dem Gesetz motiviert bin. - Die äußerlich gleiche Handlung kann also entweder pflichtgemäß erfolgen oder aus Pflicht.

Die lediglich pflichtgemäße Handlung geschieht nicht aus Achtung vor dem Gesetz, sondern aus Neigung oder aus irgendwelchen rationalen Erwägungen. Und obwohl sie sich von der Handlung aus Pflicht nicht sichtbar unterscheidet, hat sie keinen positiven moralischen Wert. Es ist der Beweggrund, der den moralischen Wert ausmacht!

 

Der Gesetzesbegriff: Kant meint damit natürlich nicht ein bürgerliches Gesetz, oder das Strafgesetz eines Staates oder gar ein göttliches Gesetz. Gemeint ist vielmehr das, was Kant in seinen Arbeiten mit den Begriffen Sittengesetz, praktisches Gesetz und moralisches Gesetz umschreibt. Gemeint ist laut Kant in jedem Fall dasselbe: „Das Gesetz ist die Gesetzmäßigkeit, die herrschen würde, wenn bei allen vernünftigen Wesen die Vernunft die volle Gewalt über unseren Willen hätte und nicht unsere Neigungen.“

Immanuel Kant (*22.04.1724; †12.02.1804), deutscher Philosoph der Aufklärung

Wo ist denn hier der Gottesbezug? Oder gar der geringste Anhaltspunkt dafür, dass die christliche Nächstenliebe der humanistischen Ethik überlegen sei?

Ahja… der Egoismus ist ja auch eine Neigung… Und Weishaupt behauptet nun, dass lediglich der Christ, der wohl generell (jedenfalls macht Weishaupt keinerlei Abstriche oder Einschränkungen) durch die Schöpferliebe und die Gnade Gottes vom Egoismus gereinigt sei, aus Pflicht handelt.

 

Wie kommt es aber dann, dass Kant sich nicht im Geringsten dafür interessiert, ob das von ihm gefundene Sittengesetz mit dem Gott der Bibel vereinbar ist? Dass er, ganz im Gegenteil, feststellen wird, dass auch Gott dem Sittengesetz unterworfen ist, dass der ausschließlich in der Moral eine Daseinsberechtigung habe (ich bin davon überzeugt, dass Kant selbst das zurückgenommen haben würde, wenn er seinerzeit bereits im Besitz der Kenntnisse der historisch-kritischen Bibelwissenschaften gewesen wäre), und dass selbst derjenige, auf den die Christen sich berufen, Jesus von Nazareth, sich dieser Ethik zu unterwerfen habe:

 

(Zitat Kant) „[…] Man könnte auch der Sittlichkeit nicht übler rathen, als wenn man sie von Beispielen entlehnen wollte. Denn jedes Beispiel, was mir davon  vorgestellt wird, muß selbst zuvor nach Principien der Moralität beurtheilt werden, ob es auch würdig sei, zum ursprünglichen Beispiele, d. i. zum Muster, zu dienen, keinesweges aber kann es den Begriff derselben zuoberst an die Hand geben. Selbst der Heilige des Evangelii muß zuvor mit unserm Ideal der sittlichen Vollkommenheit verglichen werden, ehe man ihn dafür erkennt; auch sagt er von sich selbst: was nennt ihr mich (den ihr sehet) gut? Niemand ist gut (das Urbild des Guten) als der einige Gott (den ihr nicht sehet). Woher aber haben wir den Begriff von Gott als dem höchsten Gut? Lediglich aus der Idee, die die Vernunft a priori von sittlicher Vollkommenheit entwirft und mit dem Begriffe eines freien Willens unzertrennlich verknüpft. Nachahmung findet im Sittlichen gar nicht statt, und Beispiele dienen nur zur Aufmunterung, d. i. sie setzen die Thunlichkeit dessen, was das Gesetz gebietet, außer Zweifel, sie machen das, was die praktische Regel allgemeiner ausdrückt, anschaulich, können aber niemals berechtigen, ihr wahres Original, das in der Vernunft liegt, bei Seite zu setzen und sich nach Beispielen zu richten. […]“ (Zitatende)

 

[vgl.: Kant, Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900ff, Seite 408/409]

 

Übrigens: Theologie steht bei Kant im Verdacht, eine „Zauberlaterne von Hirngespenstern“ zu sein (lt. Kritik der praktischen Vernunft, Akademieausgabe, Seite 244)

 

Ganz eindeutig: Die christliche Nächstenliebe ist dem „bloßen Humanismus“ in keiner Weise überlegen, noch ist sie besser als jener. Auch wenn der Christ nicht deshalb Samariter ist, weil er „in den Himmel kommen will“ oder ähnliche Beweggründe hat, handelt er in keiner Weise moralischer als der Humanist, der aus Pflicht, also aus Achtung fürs Gesetz handelt. – Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass die Mehrzahl der Christen aus egoistischem Gutmenschentum heraus handeln.

 

Und jetzt schauen wir auf den Schluss von Weishaupts Beitrag, in welchem er den Artikel 27 der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ zitiert:

Drei Konzilsväter (von links): Der deutsche Kurienkardinal Augustin Bea, Kardinal Josef Frings (Köln) und Kardinal Achille Liénart (Lille)

(Zitat) „[…]Gaudium et spes. Artikel 27

 

‚Zu praktischen und dringlicheren Folgerungen übergehend, will das Konzil die Achtung vor dem Menschen einschärfen: alle müssen ihren Nächsten ohne Ausnahme als ein “anderes Ich” ansehen, vor allem auf sein Leben und die notwendigen Voraussetzungen eines menschenwürdigen Lebens bedacht. Sonst gleichen sie jenem Reichen, der sich um den armen Lazarus gar nicht kümmerte. Heute ganz besonders sind wir dringend verpflichtet, uns zum Nächsten schlechthin eines jeden Menschen zu machen und ihm, wo immer er uns begegnet, tatkräftig zu helfen, ob es sich nun um alte, von allen verlassene Leute handelt oder um einen Fremdarbeiter, der ungerechter Geringschätzung begegnet, um einen Heimatvertriebenen oder um ein uneheliches Kind, das unverdienterweise für eine von ihm nicht begangene Sünde leidet, oder um einen Hungernden, der unser Gewissen aufrüttelt durch die Erinnerung an das Wort des Herrn: ‚Was ihr einem der Geringsten von diesen meinen Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan‘ (Mt 25, 40). Was ferner zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord.

 

Was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter und der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was immer die menschliche Würde angreift, wie unmenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen der Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel und nicht als freie und verantwortliche Person behandelt wird: all diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchstem Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers.” (Zitatende)


Man muss schon sehr genau hinsehen, um in dieser „Aufzählung“ den deutlichen Hinweis darauf, dass die christliche Nächstenliebe der humanistischen Ethik unterlegen ist, zu finden. Haben Sie den verräterischen Satz bemerkt? Ich wiederhole ihn ungerne: „[…] sind wir dringend verpflichtet […]tatkräftig zu helfen, ob es sich nun um […] oder um ein uneheliches Kind, das unverdienterweise für eine von ihm nicht begangene Sünde leidet, […] durch die Erinnerung an das Wort des Herrn […]“

 

Ich denke, dazu ist jeder Kommentar überflüssig. Die Katholische Kirche hat sich damit ihr Armutszeugnis selbst ausgestellt!

Der Pentateuch = die 5 Bücher Moses

Moralisch überlegen ist der atheistische (säkulare) Humanismus der christlichen Nächstenliebe aber auch deshalb, weil er aus der Vernunft heraus geboren ist und den Menschen nicht durch ein Gebot oktroyiert wurde.

Wobei die Idee der christlichen Nächstenliebe übrigens nicht nur rund 500 Jahre nachdem Protagoras und Heraklit ihre Ideen formuliert haben entstanden ist, sie also mit ziemlicher Sicherheit durch die die antiken griechischen Philosophen beeinflusst wurde… Nein, der Grundgedanke ist noch nicht einmal auf dem Mist der Christen gewachsen. Die angeblichen Jesusworte „liebe Deinen Nächsten …“ stammen nämlich aus dem jüdischen Tanach:

 

„Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld auf dich lädst. Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.“ (3. Mose 19, 17+18)

 

Und auch die Fremdenliebe wurde bereits im Tanach formuliert:

 

„Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.“ (3. Mose 19, 33+34)

 

Wenn wir uns jetzt noch vergegenwärtigen, dass der Tanach in einem komplexen Prozess als Sammlung verschiedenster, religiöser und profaner Schriften (wobei die ältesten Bestandteile mündlich überlieferte Sagenkränze und Ätiologien einzelner Sippen und Stämme sind) in einem Zeitraum von ca. 1200 Jahren innerhalb der Geschichte Israels entstanden ist. Dass speziell die priesterschriftlichen Texte der Levitischen Gesetzgebung etwa im 5. Jhdt. v.Z. geschrieben wurden,   lässt sich leicht denken, dass sowohl der antike jüdische als auch der antike griechische Humanismus aus den gleichen Quellen gespeist wurden. Einziger Unterschied: Die Juden haben die Idee zu einem göttlichen Gesetz erklärt, weil sich die Menschen so besser kujonieren ließen.

 

Und eben dadurch haben sie erreicht, dass das Handeln nach jüdisch/christlicher Nächstenliebe eher aus Gehorsam erfolgt – moralisch also weniger wert ist, als das Handeln aus Pflicht des säkularen Humanismus.

06.10.2012 - (fcs)

Darf Religion die Kunst beleidigen?

Proteste aus religiösen Kreisen führen zum Abbruch einer Theateraufführung

Felizitas Küble, die Herausgeberin von Charismatismus.Wordpress bezeichnet unter Berufung auf die erzkatholische Zenit.org auf ihrem Blog  das Theaterstück „Über das Konzept vom Gesicht des Gottessohnes“ von Romeo Castellucci  als sogenannte Kunst, als gotteslästerliches Machwerk, und verleiht Ihrer Freude darüber, dass dessen Aufführung in Paris wegen vehementer Proteste des Publikums, welches sich diese Blasphemie nicht als Kunst andrehen ließe, abgebrochen werden musste, Ausdruck. Äußerst erfreut zeigte sich die Küble darüber, dass die Proteste besonders auch aus evangelikalen Kreisen kamen.

 

Siehe: http://charismatismus.wordpress.com/2012/10/05/proteste-gegen-blasphemisches-theaterstuck-von-castellucci-teilweise-erfolgreich/

„Über das Konzept vom Gesicht des Gottessohnes“ - Bühnenbild

Meine Erfahrung zeigt, dass alles, was Religioten als Sünde bezeichnen, sich beim Ausprobieren nachgerade als wert erweist, zur Tugend erhoben zu werden. – Und ich habe die Ahnung, dass es auch bei Castellucis jüngstem Werk lohnt, eine Aufführung dieses Stückes zu sehen, zumindest aber, sich ein wenig damit zu beschäftigen.

 

Um was geht es eigentlich? Die Handlung lässt sich mit wenigen Worten umreißen:

 

Unter dem „Bildnis Christi“ von Antonello da Messina (1430 - 1479 in Messina), das den gesamten Bühnenhintergrund ausmacht, sieht man einen alten, inkontinenten Mann, der von seinem Sohn immer wieder von Exkrementen gereinigt werden muss – bis zur Erschöpfung. Immer und immer wieder wechselt der Sohn die vollen Windeln seines Vaters. Es riecht im Theater nach Kot. Ein alter Mann versucht mit seinem Siechtum fertigzuwerden, der Sohn will helfen und sieht dem körperlichen Verfall des Vaters zugleich hilflos zu. Zwischen beiden entspinnt sich ein einfühlsamer Dialog. - Gegen Ende des Stückes schlendern Kinder und Jugendlichen auf die Bühne, die das Bildnis mit Steinen und kleinen Handgranaten bewerfen.

Das ist alles… Und doch umreißt es ein großes Problem unserer Gesellschaft! Tilmann Broszat, Chef des Münchener SpielArt-Festivals [Bild links], der das Werk und den Künstler genau kennt, sagt dazu:

 

(Zitat) „[…] dahinter steckt ja eine Anklage: Wir erfüllen die christlichen Werte nicht mehr. Warum hat uns Gott nicht geholfen? […] Ich glaube, im Stück werden zwei zentrale Fragen gestellt. Erstens: Was passiert mit einer überalterten Gesellschaft? Die Szene auf der Bühne ist nichts anderes, als viele Menschen, die ihre Eltern zu Hause pflegen, täglich erleben: das Bild eines Mannes, der altert, sich dem Tode nähert. Und die zweite Frage: Was passiert mit der Jugend, wohin geht sie? Das Bild der jungen Menschen, die gegen Ende der 50-minütigen Aufführungen Granaten auf Jesu Gesicht werfen, ist eine symbolische Geste: Es ist nichts mehr zu retten. […]“ (Zitatende)

 

Was daran soll blasphemisch sein? Den Kritikern genügt als Begründung für diesen Vorwurf die bloße Information, dass ein Christus-Bild und kotbeschmutzte Windeln zu den Requisiten gehören, sogar ein kulturell interessierter Mann wie der Berliner Erzbischof, Kardinal Woelki [Bild unten rechts], hat Casteluccis Arbeit verworfen, ohne sie gesehen zu haben! „Das Abbild unseres Gottes wird beschmutzt“, behaupten die Kritiker des Stücks.

Rainer Maria Kardinal Woelki (*18.08.1956 in Köln-Mülheim), Metropolit und Erzbischof von Berlin

Ich selbst habe übrigens überlegt, was das Bild wohl mit dem Titel des Stücks zu tun haben soll. Man mag es mir nachsehen: Ich wusste nicht, dass es sich dabei um das sogenannte „Bildnis Christi“ handelt, da Messinas Werk sämtliche entsprechenden Insignien fehlen. – Für mich war es ganz einfach das Bild eines sanft wirkenden jungen Mannes; einzig dessen Augen fallen auf, die jeden Winkel der Bühne sehen können. Wie ich in einer Besprechung gelesen habe, entsteht wohl auch im Zuschauerraum der Eindruck, dass der Blick den Betrachter von jeder Position aus trifft.

 

Um zu verstehen, was es mit diesem Blick auf sich hat und wie sehr dieser Blick Teil des Stücks ist, muss man zu verstehen suchen, was Nikolaus von Kues vor gut 550 Jahren dazu gesagt hat.

 

Nikolaus von Kues, besser bekannt unter der latinisierten Form seines Namens, Nicolaus Cusanus (1401 – 1464) war einer der Wegbereiter des Rationalismus. Cusanus studierte Mathematik, Physik, Astronomie, Medizin, antike Philosophie und Jura in Padua; erst später studierte er Theologie in Köln. Der Wissenschaftler, Kurienkardinal und Ratgeber von Papst Pius II. lehrte als Erster die Unendlichkeit des Kosmos. Laut seinen Überlegungen konnte die Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls sein, denn ein unendlicher Raum besitze keinen Mittelpunkt. Eine Ansicht, die im 15. Jahrhundert unerhört war und erst Hundert Jahre später von Kopernikus bestätigt werden sollte. Doch damit nicht genug: Kues beschäftigte sich eingehend mit dem Islam und trat für seine Legitimität ein.

Und dieser Cusanus, Zeitgenosse des Antonello da Messina, hat wunderbar ausgeführt: Nicht Christus sehe man an, wenn man ein Bild von ihm betrachte, sondern sich selbst und seine Vorstellungen.

Und jetzt schauen wir noch einmal auf „das nackte Gesicht mit den unbarmherzig barmherzigen Augen“, wie es die Münchner tz voriges Jahr bezeichnet hat, das den Blick auf uns zurückwirft. Und wir erinnern uns an die Erläuterungen Broszats. Ganz deutlich sehen wir jetzt die beiden Bilder zu zentralen Fragen unserer Gesellschaft:

  • Der Sohn, der seinen kranken Vater hingebungsvoll pflegt und der sich verzweifelt an das Bild hinter ihm, das für ihn nur der „Erlöser“ sein kann, schmiegt.
  • Die sorglos auf die Bühne schlendernden Kinder, die den großen, fremden Kopf der ihnen nur noch wie eine Maske erscheint, mit kleinen Handgranaten und Steinen bewerfen.

 

Dieses Stück ist alles andere als blasphemisch. Es zeigt lediglich ein Bild unserer Gesellschaft auf, die die christlich-humanistischen Werte nicht erfüllt. Wir sehen uns, wie wir uns sehen sollten, wie wir gesehen werden.

 

Und das ist Grund für den christlichen Pöbel die Aufführung dieses Werkes zu unterbrechen oder gar zu verhindern? Von Christianophobie zu sprechen?

 

Castelucci selbst bleibt gelassen: „Sie haben das Stück nie gesehen und wissen also nicht, dass es ein spirituelles Stück ist, das sich mit dem Bild Christi beschäftigt“, sagte er in einem Interview und:

„Ich vergebe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“

21.06.2012 – (fcs)

Straftatbestand Blasphemie?

Martin Mosebachs geistige Blähungen

Aufhänger für diesen Beitrag war ein Essay, das der Georg-Büchner-Preisträger Martin Mosebach am 18.06.2012 in der Berliner Zeitung unter der Rubrik Kuns und Religion veröffentlicht hat. - Unter dem Titel "Vom Wert des Verbietens" lässt Mosebach sich darüber aus, warum Blasphemie seiner Ansicht nach (wieder) zum Straftatbestand erhoben werden sollte... [siehe Link hinter dem Bild rechts]


Laut Martin Mosebach, einem der renommiertesten deutschen Schriftsteller, muss der deutsche Staat ein genuines Interesse daran haben, Blasphemie in der Kunst und der veröffentlichten Meinung zu verbieten und dieses Verbot mit Strafe zu bewehren. In einem von der Berliner Zeitung veröffentlichten Essay weist Mosebach darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland kein weltanschaulich neutraler Staat sei. Dies ergebe sich daraus, dass das Grundgesetz seiner Präambel nach „im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ formuliert worden sei – und die Frage, an welchen Gott die Väter und Mütter dieses Verfassungswerks gedacht haben mögen, sei ebenfalls leicht zu beantworten: Es war der Gott des Christentums, an einen anderen dürfe man Ende der 1940er Jahre schwerlich gedacht haben. Es seien also nicht von der Bundesrepublik und ihren Gesetzgebern geschaffene Voraussetzungen in das Fundament des Staatsgebäudes eingemauert, die – solange dies Grundgesetz gelten soll – im Grunde unter dem besonderen Schutz des Staates stehen müssten, damit dieses Grundgesetz nicht geistig ausgehöhlt würde und in Leerformeln austrockne, sondern von lebendiger Realität bleibe. Daraus begründe sich eine Pflicht des Staates, jenen Gott, auf dessen Geboten er seine sittliche Ordnung aufbauen will, vor Schmähung zu bewahren, die dieser sittlichen Ordnung auf Dauer den Respekt entziehen würde. Weiter schreibt Mosebach


„Allein schon Artikel 1, die Menschenwürde betreffend, ist ohne christliche Inspiration nicht vorstellbar. Gerade die Unverlierbarkeit der Würde – ihr character indelebilis – ist christliches Eigengut.[sic]“

Doch auch für einen weltanschaulich strikt neutralen Staat könne sich nach Mosebach die Notwendigkeit einer Bekämpfung der Blasphemie ergeben. Dann nämlich, wenn die staatliche Ordnung durch sie gefährdet würde, was geschehen könne, wenn eine größere Gruppe von Gläubigen sich durch die Blasphemie in ihren religiösen Überzeugungen so verletzt fühle, dass ihre Empörung zu einem öffentlichen Problem werde. Als Beispiel führt Mosebach einen Fall in England an, in dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung das Verbot des Films „Die letzte Versuchung Jesu Christi“ [siehe Szenenbild links] von Martin Scorsese (http://www.skandalfilm.net/?p=65) nach islamischen Massendemonstrationen gegen die Verunglimpfung des Propheten Isa notwendig machte…

 

Also… mein erster Gedanke war: „Der hat ein neues Buch fertig und will schon mal seinen Namen in die Medien bringen.“ – Ich meine, was für einen Sinn soll es haben, den stetig weniger werdenden gläubigen Christen in unserer Gesellschaft, die bereits jetzt eine Minderheit sind, eine derartige Macht einzuräumen?

Martin Mosebach (* 31. Juli 1951 in Frankfurt am Main), deutscher Schriftsteller und Träger des Georg-Büchner-Preises

Kein Zweifel: Es geht ganz eindeutig um die Zueignung einer enormen Machtfülle. Glauben wir dem bekennenden Katholiken Martin Mosebach [Bild rechts], werden die ohnehin schon chronisch überlasteten deutschen Gerichte demnächst mit einer Fülle von Blasphemie-Klagen überschwemmt. Denn außer seiner auf tönernen Füßen stehenden Begründung für die seiner Meinung nach notwendige Strafbarkeit von Blasphemie, bietet er nichts. Nicht einmal eine Definition für diesen Begriff! Blasphemie… was soll denn wohl alles unter den entsprechenden Paragraphen fallen? Ausschließlich „Gotteslästerung“, wie es der große Brockhaus definiert, oder doch etwas weitergehend „Heiliges, Göttliches verlästernd, verhöhnend“, wie es die Dudenredaktion definiert? Oder am Ende gar so, wie es Wikipedia sieht, dann gehört nämlich auch schon das Verneinen bestimmter Glaubensinhalte einer Religion dazu. Ich kann mich erinnern, dass mich einmal ein Neuapostolischer Priester der Gotteslästerung bezichtigt hat, weil ich eine Aussage irgendeines sogenannten Apostels als paradox bezeichnet hatte…

 

Und wenn wir ein wenig weiterschauen, stutzen wir und fragen uns, was wohl mit den Nicht-Christlichen Religionen ist. Zwar führt Mosebach die Muslime als Beispiel für den seiner Meinung nach richtigen Umgang mit Blasphemie an – in seiner Begründung für die Notwendigkeit eines derartigen Gesetzes hebt er aber ausschließlich auf den Gott der Christen ab.

"Trinität" (Renaissance-Gemälde von Jeronimo Cosida)

Spätestens ab hier wird es akademisch: Wer ist eigentlich dieser Gott der Christen? Vordergründig handelt es sich um den gleichen, wie den der Juden… JHWH. Aber – der Gott der Juden ist ein Alleinherrscher, er ist alles in einem. Der Gott der Christen ist eine Trinität, die sich aus drei je selbstständig agierenden Teilen zusammensetzt, von denen zwei weder von den Juden noch von den Moslems anerkannt werden. Ganz abgesehen davon, dass es historisch und theologisch äußerst fraglich ist, ob es sich bei der jüdischen Gottheit JHWH um den Weltenschöpfer und Weltenlenker handelt, gibt es bei mindestens einem weiteren Teil dieser Trinität, dem Gottessohn Jesus Christus, berechtigte Zweifel an seiner Göttlichkeit.


Darüber hinaus haben die historisch kritischen Bibelwissenschaften längst nachgewiesen, dass eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass Jesus von Nazareth die Kreuzigung überlebt hat, als dafür, dass er tatsächlich gestorben ist… Aber an seinem Tod hängt auch seine Auferstehung von den Toten und seine Himmelfahrt. Was also, wenn die Wissenschaftler, darunter auch Theologen, Recht haben, die sagen, Jesus von Nazareth sei lediglich ein erleuchteter Wanderprediger gewesen? Möglicherweise ein Prophet wie Buddha oder Mohammed – keinesfalls aber ein Gott…
[Anmerkung: Zu diesen Themen werden sukzessive Veröffentlichungen auf der Unterseite „die Lehren der Christen“ folgen]

Der parlamentarische Rat 1948/1949

Weil 66 Männer und 4 Frauen zwischen Oktober 1948 und Mai 1949 sich auf die Formulierung, das Deutsche Volk habe sich das Grundgesetz „im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ gegeben, geeinigt haben, sollen heute alle neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse keine Geltung haben? Das ist eine absolut finstere Vorstellung – mittelalterlich geradezu. Was soll wohl als nächstes kommen? Die Aushebelung der Religionsfreiheit, die schließlich auch ein Artikel des Deutschen Grundgesetzes ist?

 

Ein abschließender Gedanke: Wie kann ein Mensch mit dem Bildungsgrad eines Martin Mosebach behaupten,

(Zitat) „Allein schon Artikel 1, die Menschenwürde betreffend, ist ohne christliche Inspiration nicht vorstellbar. Gerade die Unverlierbarkeit der Würde – ihr character indelebilis – ist christliches Eigengut. [sic]“ (Zitatende)???

Aus dem Pergamonmuseum: Platon (ca.* 428/427 v. Chr. in Athen oder Aigina; † ca. 348/347 v. Chr. in Athen), antiker griechischer Philosoph.

Mosebach und ich sind der gleiche Geburtsjahrgang… da sollte man doch meinen, er habe, genau wie ich, bereits in der Schule vom Humanismus gehört. Der Volljurist (zweites Staatsexamen im Jahr 1979) hat doch gewiss eine über den Katholizismus hinausgehende Allgemeinbildung erhalten. Es muss Mosebach bewusst sein, dass die Grundzüge des Humanismus und insbesondere der Satz „Der Mensch ist das Maß aller Dinge (panton chrematon)“ bereits im fünften vorchristlichen Jahrhundert formuliert wurden, dass die humanistischen Grundüberzeugungen

  • Das Glück und Wohlergehen des einzelnen Menschen und der Gesellschaft bilden den höchsten Wert, an dem sich jedes Handeln orientieren soll.
  • Die Würde des Menschen, seine Persönlichkeit und sein Leben müssen respektiert werden.
  • Der Mensch hat die Fähigkeit, sich zu bilden und weiterzuentwickeln.
  • Die schöpferischen Kräfte des Menschen sollen sich entfalten können.
  • Die menschliche Gesellschaft soll in einer fortschreitenden Höherentwicklung die Würde und Freiheit des einzelnen Menschen gewährleisten

gewiss keiner christlichen Inspiration bedürfen – schon gar keiner christlichen, denn diese Lehre hat die Regeln des Humanismus viel zu lange mit Füßen getreten!

Jean-Jacques Rousseau (* 28. Juni 1712 † 2. Juli 1778), Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher und Komponist

Dass Mosebach, um den Ernst zu zeigen, der dem Thema Blasphemie angemessen sei, berichtet, von Jean Jacques Rousseau werde überliefert, er habe sich eines Tages in einer Runde blasphemisch spottender Libertins befunden und habe die Herren mit folgenden Worten zum Schweigen gebracht: „Wenn es schon niederträchtig ist, zu schweigen, wenn über abwesende Freunde schlecht gesprochen wird, um wie viel schäbiger ist es, zu schweigen, wenn das über Gott geschieht, der doch anwesend ist.“ macht nichts besser.

 

Ich kann dieses Essay von Martin Mosebach nicht ernst nehmen und frage mich allen Ernstes:

 

Was um alles in der Welt hat er sich dabei gedacht???

07.06.2012 - (fcs)

Marx: „Dynamik der Veränderung“ aus Evangelium

„Kardinal betont positiven Einfluss des Christentums auf die Entwicklung der Gesellschaft“ ...

... überschreibt die Pressestelle des Erzbistums München ihren jüngsten Bericht unter

http://www.erzbistum-muenchen.de/Page006352_23640.aspx

den wir nachstehend auszugsweise zitieren:

Reinhard Kardinal Marx (* 21.09.53), Erzbischof von München und Freising

„München, 7. Juni 2012

 

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, hat in seiner Predigt zum Fronleichnamsfest die treibende Kraft des Christentums für eine positive Veränderung der Gesellschaft betont. In ‚unserer Zivilisation, die in vielfältiger Weise vom christlichen Geist geprägt ist‘, sei ein Grundgedanke vorhanden, der aus dem Evangelium komme: ‚Die Welt muss nicht bleiben, wie sie ist. Sie ist nicht die endgültige Welt‘, sagte der Kardinal vor mehreren Tausend Gläubigen am Donnerstag, 7. Juni, auf dem Münchner Marienplatz: ‚Ein wirklich christlich geprägter Geist gibt sich nie zufrieden mit dem, was ist, sowohl im persönlichen Leben nicht wie auch im gesellschaftlichen, im wirtschaftlichen, im politischen Leben nicht. Es ist immer eine Dynamik nach oben, nach vorne, eine Dynamik des Möglichen, der Veränderung, des Aufbruchs.‘

 

Im Ostergeheimnis durchbreche Gott die ‚Grundstruktur der Sünde: das Begehren, das Haben wollen, das Besitzen wollen, das Sich über andere erheben, die Ausbeutung des Menschen‘, so der Kardinal weiter, indem er ‚sich selber verschenkt und Raum eröffnet für eine Heilung von dieser Grundstruktur der Sünde‘. So schauten die Gläubigen in der Hostie nicht nur auf die Gegenwart des Herrn, sondern auch auf die ‚Realität der reinen Liebe‘: ‚Wenn wir Christus in der Gestalt der Eucharistie durch die Stadt tragen, dann bekennen wir: Diese reine Liebe ist möglich.‘ Daraus entstehe eine ‚Dynamik der Veränderung‘, die ‚eine neue Welt‘ möglich mache. Die Kirche sei Instrument und Zeugin dieser neuen Welt, so der Kardinal, wenn sie selbst wisse, ‚dass sie sich immer wieder verändern muss, dass sie immer wieder aufbrechen muss, wenn sie dem Herrn treu bleiben will.‘ […]“ (Zitatende)

Fronleichnam in München (hier: am Marienplatz)

Unser Kommentar dazu:

 

Positiver Einfluss des Christentums auf die Entwicklung der Gesellschaft und „Dynamik der Veränderung“ aus dem Evangelium??

 

Durchaus möglich, denn die wenigen als authentisch detektierten Überlieferungen der jesuanischen Predigten in den Evangelien sind tatsächlich auch heute noch von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Relevanz.

 

Allerdings haben die von Marx als (Zitat) „Grundstruktur der Sünde: das Begehren, das Haben wollen, das Besitzen wollen, das Sich über andere erheben, die Ausbeutung des Menschen“ (Zitatende) bezeichneten menschlichen Charakterzüge nichts mit biblischen Sünden im Sinne der von kanaanitischen Priestern erfundenen 10 Geboten zu tun. – Es geht schlicht darum, dass durch die Übervorteilung des Menschen der Mensch in seinem Menschsein verletzt wird, er wird als Mittel zum Zweck missbraucht. Und das ist eine Verletzung der ältesten humanistischen Grundregel. Ganz ohne Gott, ganz ohne Bibel und ganz ohne einen angeblichen Christus! Siddhartha Gautama, von dem Jesus von Nazareth ganz offensichtlich inspiriert war (die jesuanische Lehre hat jedenfalls deutlich buddhistische Anklänge), hat übrigens das gleiche gelehrt.Aber seine Eminenz Erzbischof Dr. Reinhard Kardinal Marx als hochrangiger RKK-Kirchenfürst kann wohl nicht die Grundlagen der Lehren seiner Kirche missachten. ;-)

 

Richtig ist aber jedenfalls, dass durch Erkennen, Wahrnehmen und Umsetzen der bruchstückhaft in den Evangelien überlieferten jesuanischen Lehre diese von Marx als „Sünde“ bezeichneten Charakterzüge geändert werden können, dass dadurch eine positive Veränderung unserer mitteleuropäischen Gesellschaft eingeleitet werden kann. Und das ganz ohne Ostergeheimnis, Leib und Blut und was sonst noch alles von Paulus und den Anhängern seiner Theologie dem Ur-Evangelium hinzugefügt wurde, und von einigen religiösen Organisationen immer noch hinzugefügt wird.

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